5. HWN-Tour: Rundwanderung bei Ellrich
„Reizvoll ist nur die Ungewißheit.
Der Nebel macht die Dinge zauberhaft.“
© Oscar Wilde (1854 – 1900), Irischer Schriftsteller
Es ist der 14. Dezember. Für einen Dezembertag ist es recht mild und trocken. Warum also nicht wieder in den Harz fahren?
Immerhin möchte ich meine Stempel-Bilanz erhöhen. Zumal bin ich diesmal wieder alleine unterwegs. Und das erste Mal im Südharz. Ich freue mich auf diese Tour.
Es ist noch dunkel, als ich im Zug sitze. Ich umfahre den Harz linksherum. Mein Ziel ist der Südharz; genauer gesagt die nördlichste Stadt Thüringens: Ellrich.
Ein geologisches Potpourri von Ellrich
Als ich nach der langen Zugfahrt endlich Ellrich erreiche, ist es bereits hell geworden. Doch von einer Sonne ist nicht viel zu sehen. Es ist nebelig. Und ich befürchte, dass es so den ganzen Tag bleiben wird. Doch ich brauche nicht unbedingt eine Sonne, um Wandern zu können. Es ist trocken. Das reicht mir.
Vom Bahnhof aus orientiere ich mich mit meinem GPS-Gerät, worauf auch einige Geocaches gespeichert sind, nach Norden. Während ich mich auf der Hauptstraße in Richtung Norden begebe, komme ich an einer interessanten Grundmauer vorbei. Diese zeigt beispielhaft, welche Gesteine hier in Ellrich und Umgebung anzutreffen sind.
Ich sehe verschiedene Gesteine, z. B. Konglomerate, Silte, Sandsteine, Schluffe und Arkosen.
Nur wenige Meter weiter komme ich an einer kleinen Kirche vorbei. Es ist die Dorfkirche St. Marien oder auch Frauenbergkirche genannt. Sie ist ebenfalls aus Gesteinen der Umgebung erbaut worden. Die Gesteine erkenne ich teilweise als grau-weiße Sandsteine.
Die Kirche wurde bereits im 8. Jahrhundert geweiht und dies ist für eine Kirche mit über 1300 Jahren ein beträchtliches Alter. Doch dies ist natürlich kein Vergleich zu dem Alter der Gesteine. Die Gesteine, die ich hier an dem Gebäude erkennen kann, stammen aus dem Zechstein – eine geologische Epoche vor über 250 Millionen Jahre. Damit gehört St. Marien in doppelter Hinsicht zu den ältesten Gebäuden der Stadt Ellrich.
Südharzlandschaft
Ich folge weiterhin der Hauptstraße, die jetzt zu einer Allee geworden ist. Ich bin bisher keinem Menschen begegnet. Einsam gehe ich die Straße entlang und lassen meinen Blick umherschweifen.
Ich war bisher nur im Nordharz unterwegs gewesen, daher ist es umso auffälliger, wie flach doch der Südharz dagegen wirkt. Natürlich gibt es hier auch Erhebungen und Berge, dennoch habe ich das Gefühl, das es hier bei weitem nicht so steil ist wie im Norden. Der Nebel hat sich nicht verzogen.
Die Bäume beim „Großen Mittelberg“
Von der asphaltierten Straße geht es direkt hinein auf einen Waldweg. Jetzt bin ich im Stadtwald von Ellrich. Hier war durch die Lage der Landesgrenzen Niedersachsen und Thüringen nach dem 2. Weltkrieg ein Sperrgebiet und somit nicht für die Bevölkerung zugänglich. Dieser Status blieb bis 1990 fast 40 Jahre und dadurch konnte sich hier im Waldgebiet eine Oase entwickeln.
Der Waldweg ist etwas matschig, aber das macht mir nichts aus. Eine Ausschilderung zum Roten Schuss – meine erste Stempelstelle – konnte ich nicht erblicken, aber ich folge einfach den breiten Waldweg.
Doch ein paar Bäume finde ich vor, die eine Beschilderung tragen. lch sehe zwei verschiedene Ahorn-Arten: Bergahorn (Acer pseudoplatanos) und Spitzahorn (Acer platanoides). Auf deren Schilder erfahre ich etwas über ihr Verbreitungsgebiet, Höhe und Alter. Wie unterscheidet man beide Ahornarten?
Beide Bäume kann man anhand der Blätter gut unterscheiden. Die Blätter des Spitzahorn haben ausgeprägte Spitzen (Name!!!), während die Blätter des Bergahorn keine Spitzen aufweisen. Dafür sind gesägte Blattränder sehr charakteristisch, weil dieses Merkmal bei keiner anderen einheimischen Ahornart vorkommt.
Während ich durch den matschigen Waldweg schlurfe, komme ich an einer Buche vorbei, die einen seltsamen Namen trägt: die Schnapsbuche. Sie ist seit vielen Jahren ein bereits umgekippter Baum, dessen Namensherkunft sich nicht mehr eindeutig erschließen lässt. Vielleicht hat man hier immer eine kurze Wanderast gehalten und ein kleines Getränk zur Stärkung zu sich genommen. Hm – wer weiß.
Auf dem Weg begegne ich noch weitere Hinweisschilder, die über den Wald wissenswertes erklären. Zudem finde ich ein Bienenhotel vor. Auch an einer Quelle komme ich vorbei. Vom Ellricher Wald-Verein wurde das Bauwerk bei der Quelle um 1895 errichtet. Es folgten mehrere Sanierungsarbeiten, wobei die letzte 1990 stattfand.
Es ist ein einfaches Backstein-Bauwerk, was sie vor meinem Auge erstreckt. Jetzt im Winter finde ich es nicht so spektakulär, doch im Sommer kann dieser Ort zu einer Rast einladen. Eine Kopf, die Schutz biete, eine Sitzgelegenheit und erfrischendes kühles Quellwasser. Ich glaube, ich muss im Sommer nochmal hier hin.
Der „Rote Schuss“
Mein Weg führt mich um den großen Mittelberg herum. Der Nebel hat sich nicht verzogen. Im Gegenteil, er scheint jetzt in höhere Lagen zu steigen. Als ich den Langen Berg erreiche, erkenne ich auf 50 m nichts mehr. Es gibt aber auch nicht viel zu sehen. Ich befinde mich auf einem Weg in einem Laubwald. Keine Wanderer. Nur ich bin hier im Winter zu wandern. Schnapsidee? Nein. Ich fühle mich wohl in dieser Einsamkeit.
Der „Langer Berg“ ist mit seinen 516 m NHN der höchste Punkt meiner heutigen Wanderung. Von hier aus folge ich der Beschilderung Richtung Roter Schuss. Endlich ein Schild! Der „Rote Schuss“ ist die nächste Anhöhe, die allerdings mit seinen 505 m NHN unterhalb des Langen Berges liegt. Ich werde also eher bergab als bergauf gehen.
Wenige Meter vor dem Aussichtspunkt begegne ich doch einen Wanderer. Es ist eine Frau, die ebenfalls alleine mit Rucksack unterwegs ist. Wir grüßen uns herzlich. Ich muss innerlich grinsen. Es gibt also nicht nur mich, die alleine irgendwo in einem deutschen Mittelgebirge wandern geht. Zumal es auch eine andere Frau ist. Gut so.
Ich drücke die Nr. 90 in mein Stempelheft und blicke vom Aussichtspunkt in die neblige Landschaft.
Eigentlich sollte ich von hier aus einen wunderbaren Panoramablick vom Kyffhäuser bis zum Ravensberg haben, aber bei dem tiefliegenden Nebel, erkenne ich nur die Kleinstadt Ellrich.
Der seltsame Name „Rote Schuss“ stammt vom roten Porphyr, woraus der Rote Schuss entsteht. Porphyre beschreibt kein einzelnes Gestein, sondern ist eher ein Sammelbegriff für vulkanische Gesteine, wo gut ausgebildete einzelne Kristalle in einer feinkörnigen Matrix liegen. Ein Porphyrit ist eine Porphyr-Varietät, die im Paläozoikum gebildet wurde. Einsprenglinge von Plagioklasen sind keine Seltenheit. Im Wald finde ich einige Handstücke dieser Porphyre und kann mir näher das Gestein betrachtet.
Der blöde Grenzweg
Neben den Stempeln für die Auszeichnung eines Harzer Wanderkaiser, kann man auch spezielle die ehemalige innerdeutsche Grenze im Harz erwandern und sich ein Abzeichen verdienen.
Ich bin auf den Grenzweg, denn ich werde teilweise auf ihn wandern müssen. Leider bin ich enttäuscht. Die Idee, einfach größere Betonplatten in den Boden zu versenken, finde ich gut. Doch bei den Steinblöcken handelt es sich um Lochbetonsteinplatten, in denen ich schnell hineintreten kann.
So muss ich leider darauf eher darauf achten, nicht in die Löcher zu treten. Auf die Landschaft kann ich mich nicht mehr konzentrieren. So habe ich mir mein Wandererlebnis nicht vorgestellt.
Ein paar mal knicke ich mit den Füßen um. Aua! Ich hoffe, ich komme hier heile raus. Noch nie bin ich vorsichtiger auf einem Wanderweg gegangen wie diesen. Leider geht damit auch mein Wandergenuss weg. Schade.
„Schwangere Jungfer“ und „Wendeleiche“
Ich folge dem Harzer Grenzweg weiter nach Norden bis ich endlich eine Abzweigung sehe, die mich zur Alten Jungfer führt. Dies ist ein Stein, um den sich einige Sagen und Legenden ranken.
War es ein Förster, der seine schwangere Geliebte und anschließend sich selbst umbrachte? Sind „DMSJ“ ihre Initialen? War der Stein ursprünglich ein Grenzstein? Fragen über Fragen und keine Antwort. Jeder muss für sich selbst die Antwort finden.
Auf dem Weg zur Stempelstelle Wendeleiche komme ich an dem Aussichtspunkt Brockenblick vorbei. Doch dank des Nebels kann man nichts sehen. So kann ich leider nicht den Blick zum Brocken genießen. Ich sehe nichts. Absolut nichts.
Die Wendeleiche ist an sich eine ganz normale Eiche (Quercus sp.), aber der Standort machte den Baum zu etwas Besonderes. Einst – vor der DDR-Zeit – war die Wendeleiche ein beliebtes Ausflugsziel. Ein stählerne Wendeltreppe mit einer Aussichtskanzel wurde in den großen Baum gebaut. Und dann kam die innerdeutsche Teilung.
Da die Eiche nur wenige Meter von der Grenze auf DDR-Territorium stand, war es verboten worden, den beliebten Aussichtspunkt zu nutzen. Die Aufsichtsplattform und die stählerne Treppe verfiel. Nur zwei Stahlringe sind noch am Baum zu erkennen.
Nur wenige Schritte entfernt steht heute eine Schutzhütte. Dort steht auch der Stempelkasten, wo ich mein Stempelheft mit der Nr. 165 versehe.
Stiefmutter und ihre Wiesen
Der Harzer Grenzweg verläuft jetzt schmal durch den Wald. Das ist zwar auch nicht gerade ideal, aber für meine Füße und für mich ist es doch angenehmer. Ich brauche nicht ständig auf dem Boden zu achten.
Nach 20 Minuten habe ich die Schutzhütte Stiefmutter erreicht und drücke meinen dritten Stempel ins Stempelheft. Hier entscheide ich mich eine längere Pause zu machen.
Eigentlich kann man von diesem Standort aus die Hundertmorgen-Wiese im Elsbachtal sehen. Doch dank des Nebels kann man die Wiese nur erahnen. Die Hundertmorgen-Wiese zählt zu den artenreichsten Bergwiesen des Harzes.
Im Frühjahr und Sommer kann man hier die typischen Vertreter einer Bergwiesenflora wie dem Wald-Storchschnabel (Geranium sylvaticum), Bärwurz (Meum athamanticum) und das Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis) beobachten. Auch zahlreiche geschützte und bedrohte Arten, wie die Gemeine Betonie (Betonica officinalis) und die Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) sind auf dieser Wiese zu finden.
Der Weg nach Süden / Südosten
Von der Stiefmutter aus, folge ich einen breiten Weg in Richtung Süden. Ich dachte ich komme automatisch an der Zwei-Länder-Eiche vorbei und mir dort meinen ersten Sonderstempel zu holen. Mich hat wohl der schmale und unsichere Grenzweg abgeschreckt, so das ich ihn nicht weiter gefolgt bin, sondern den Parallelweg in Richtung Süden nahm.
Nach einer Stunde wandern fand ich mich dann an der K25 wieder. Hier erinnert ein großes Schild an der ehemaligen innerdeutschen Teilung.
Ich gehe über die Straße zum Kolonnenweg. Dies ist wieder ein Stück des Harzer Grenzweges. Das heißt, ich muss wieder auf meine Füße aufpassen. Ist es doch der einfachste Weg um wieder nach Ellrich zu gelangen. Diesen Weg folge ich, bis ich auf die 1014 stoße, die ich ebenfalls überquere. Ich biege nun nach links ab und wander den Rainberg hinauf. Eher eine Anhöhe als das man es wirklich als Berg bezeichnen könnte. Von hier aus habe ich einen Panoramablick auf die Harzberge und auf die Stadt Ellrich.
Ich komme am Tagebau Ellrich vorbei. Hier wird Form- und Kernsand für die Großindustrie abgebaut. Es sind Sande der Walkenrieder-Formation. Es ist oberste Einheit des Ilfelder Beckens und besteht aus gut bis mäßig sortierten Sandsteinen. Hier in der Grube erkenne ich sogar drei Farben: Schwarz, Rot, Gelb. Ob das Zufall ist?
Der Karstwanderweg (- meine Rettung!)
Es ist ziemlich dunkel, als ich die Stadtgrenze von Ellrich erreiche. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zum Bahnhof. Allerdings ist es schon so dunkel, das ich kaum noch was sehe.
Wo führt der Wanderweg entlang?
Ich überquere an einem Übergang Eisenbahnschienen und befinde mich nun in einem Waldabschnitt. Ich sehe den weg nicht mehr. Doch ein Schild erkenne ich, das ich mich nun auf dem Karstwanderweg bei Juliushütte befinde. Der Bahnhof ist also nicht mehr weit.
Ich sehe zwar so gut wie nichts mehr, doch das Karstgestein, ein Gips, hat eine helle weiße Farbe und hebt sich in der Dunkelheit ab. Zudem hat man Handstücke jeweils am Rad des Pfades verteilt, so das für mich – trotz Dunkelheit – kein Problem mehr ist, den Pfad zu folgen. Ich folge dem Pfad und komme mir vor, wie beim Märchen Hänsel und Gretel. Haben die sich nicht auch nachts an hell-leuchtenden Steinen orientiert?
Ich erreiche die Juliushütte. Sie war im 2. Weltkrieg ein Außenlager für männliche KZ-Häftlinge. Einige Fundamente des KZ-Lagers können heute noch besichtigt werden. Es ist eine Gedenkstätte, die man frei besichtigen kann. In der Dunkelheit erkenne ich leider aber so gut gar nichts.
Ich bin froh, als ich eine asphaltierte Straße, die parallel zum Bahnhof verläuft, erreiche. Wenige Minuten später sitze ich im Zug. Der Schaffner schaut mich bei der Kartenkontrolle etwas skeptisch an. Er spricht mich auf meine Schlamm-verkrustete Hose an.
Ich erzähle ihm von meiner heutigen Wanderung und von der Harzer Wandernadel. Er grinst und nickt. Man kennt also auch hier in die Harzer Wandernadel (Warum überrascht mich das noch?).
Sicher – mir ist das schon unangenehm so dreckig im Zugwaggon zu sitzen. Aber ganz ehrlich: eine Wanderung bei Nebel auf matschigem Boden würde ich jederzeit wieder machen.
Mein Fazit
Die Beschilderung zur ersten Stempelstelle ist mehr als dürftig. Hier heißt es raten. In dem Falle am besten den breiten Waldweg folgen. Aufgrund der verschiedenen Aufstiegsmöglichkeiten zum „Roten Schuss“ fällt auch der Anstieg selbst unterschiedlich aus. Der breite Waldweg ist dabei der sanfte aber auch längere Weg nach oben.
Neben Roter Schuss zeigen die anderen Stempelstellen schöne Panoramaansichten, sofern das Wetter mitspielt.
Der Harzer Grenzweg erfordert Trittsicherheit, da die Löcher in den Bodenplatten leider noch nicht verfüllt sind. Hier ist Vorsicht geboten, was leider auch das Wandervergnügen schmälert.
Steckbrief: 5. HWN-Tour – Rundwanderung bei Ellrich
Karte
Wegbeschaffenheit
Vorwiegend breit ausgebaute Waldwege, Harzer Grenzweg besteht aus Lochbetonstein
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Bahn
Über Halle und Nordhausen mit Regionalbahn nach Bahnhof Ellrich
Bus
Fernbusse fahren bis nach Nordhausen, von dort aus dann weiter mit Regionalbahn nach Bahnhof Ellrich
Einkehrmöglichkeiten
In Ellrich gibt es einige wenige Einkehrmöglichkeiten
Aufgesuchte Stempelstellen der Harzer Wandernadel
Quellen und lesenswerte Links
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Warst du schon einmal im Südharz wandern? Würde die dort eine auch Wanderung im Nebel gefallen?
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