Das 9-Euro-Ticket (in Mecklenburg-Vorpommern) – Ein Fazit
„Der Aphoristiker zieht das Fazit der Dinge
und überlässt alles andere dem Leser.“© Ernst Reinhardt (*1932), Dr. phil., Schweizer Publizist und Aphoristiker
Es ist zu Ende. Seit 13 Tagen ist das 9-Euro-Ticket nicht mehr gültig. 3 Monate lang konnte man in der Bundesrepublik Deutschland für jeweils 9 Euro pro Monat nahezu alle Busse, S- und U-Bahnen und natürlich die Regionalzüge unbegrenzt nutzen.
Vor der Einführung des 9-Euro-Tickets habe ich bereits auf das Vorhaben ein kritischen Blick geworfen. (Hier kannst du meinen Artikel nochmal nachlesen: Das 9-Euro-Ticket (in Mecklenburg-Vorpommern) – Ein kritischer Blick)
Und jetzt nach drei Monaten und damit nach dem Ende des 9-Euro-Tickets wird es nun Zeit für mich ein Fazit zu ziehen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist das 9-Euro-Ticket überhaupt gewesen?
Beim 9-Euro-Ticket handelte es sich um eine bundesweit gültige Monatskarte, die 9 Euro kostete. Vom 1. Juni bis zum 31. August 2022 konnte man damit im öffentlichen Personennahverkehr bundesweit für jeweils 9 Euro im Monat fahren.
Finanziert wurde dieses befristete Sonderangebot von der Bundesregierung und war Teil des Entlastungspaketes. Ziel der Einführung des Tickets war es, Vielfahrer zu entlasten aber auch Neukunden für den ÖPNV zu gewinnen.
Meine Kritikpunkte
In meinem Artikel (Das 9-Euro-Ticket (in Mecklenburg-Vorpommern) – Ein kritischer Blick) habe ich insgesamt in 8 Punkten – vor drei Monaten nannte ich sie noch „Spekulationen“ – aufgeführt, was auf die 9-Euro-Ticket-Nutzer in den folgenden drei Monaten auf sie zukommen wird.
Diese 8 Punkte greife ich wieder auf und lege dar, ob sie sich bewahrheitet haben:
1. Volle Züge und Busse
Voll. Voller. Am Vollsten. Eigentlich keine Überraschung. Es war zu erwarten und es ist auch so eingetreten. Extrem voll waren die Zügen während der Urlaubssaison. Platz finden? Fehlanzeigen. Ich konnte an manchen Tage überhaupt froh sein, überhaupt einen Platz zum Stehen zu finden.
Einmal war ich mit dem Rad unterwegs gewesen und man hat mich und mein Rad abgewiesen. ich sollte auf den nächsten Zug warten. Dabei saßen viele Leute im Fahrradabteil und machten kein Platz für die Räder. Fahrradfahrer hatten allgemein das Nachsehen in diesen drei Monaten. Und nicht nur sie. Auch Personen mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer konnten aufgrund voller Züge nicht mitfahren und müssten auf den Gleis warten. Barrierefreiheit? Nicht wirklich.
2. Keine Ruhe
Als eine hochsensible Person war mich oft das Gewusel in den Zügen einfach zu viel. Und klar wurde da auch viel geredet und gequatscht. Zudem kam es oft zu Diskussionen zwischen Zugpersonal und Fahrgäste. Hierbei ging es häufig um die Aufforderung eine Maske während der Fahrt zu tragen.
Wir haben jetzt seit über zwei Jahren Corona und einige Personen meinen, eine Maske wäre in einem Raum unnötig. Oder man trägt die Maske grundsätzlich unter die Nase. Ganz ehrlich. Seit zwei Jahren haben wir die Corona-Pandemie und einige scheinen immer noch nicht gelernt zu haben, wie man eine FFP2-Maske richtig trägt? Ist es einfach Ignoranz oder mangelnde Intelligenz? Immerhin, das Sicherheitspersonal hat immer wieder darauf hingewiesen, wie man die Maske richtig trägt.
3. Besser ohne Fahrrad
In den drei Monaten hatte der Fahrradfahrer in Sachen Bahn fahren das Nachsehen. Ich war auch einmal mit dem Rad per Bahn unterwegs gewesen. In Lüneburg ist es mir passiert, dass man mich und mein Rad nicht mitgenommen hat, weil der Zug so voll war.
Hm, hierbei muss ich aber sagen, das laut meiner Beobachtung vor allem im Fahrradabteil die Nicht-Fahrradfahrer weniger sich solidarisch verhalten haben und einfach auf dem Platz sitzen blieben, obwohl man im Fahrradabteil vorrangig Platz für Fahrräder und Kinderwagen machen sollte. Fahrradfahrer haben sie viel kommunikativer und verständnisvoller verhalten.
4. Volle Touristenhotspots
Ich habe es in den drei Monaten vermieden an die Ostseeküste zu fahren (mit Ausnahme nach Poel, aber dort habe ich ja gearbeitet). Ich bin nur einmal mit der S-Bahn nach Warnemünde gefahren (wegen eines Arbeitsauftrages) und die S-Bahn war so voll, wie ich es noch nicht erlebt habe. Auch Warnemünde war was los.
5. Zugfahrt = Corona-Hotspot + Maskenpflicht
Was mich überrascht hat, das vermehrt kontrolliert wurde, ob man sich an die Maskenpflicht hält oder nicht. Zugegeben, ich hatte etwas Angst mich auf einer Zugfahrt – trotz Maske – bei einem Fahrgast anzustecken. Aber ich hatte Glück und hatte trotz nahezu täglichen Fahrten mit dem ÖPNV kein Corona bekommen.
*klopft auf Holz*
6. Wo ist das Zugpersonal?
Kurze Antwort: krank.
Bereits vor der Einführung des 9-Euro-Tickets gab es Personalmangel und es hat sich – jedenfalls hier in Mecklenburg-Vorpommern – in den letzten drei Monaten sogar verschärft. Einige Male habe ich erleben müssen, dass mein Zug ausgefallen ist, weil Personal fehlte.
7. Wo ist mein Waggon?
Ich sollte hierbei wohl eher die Frage stellen, wo denn mein Zug sei. Denn durch den oben genannten Personalausfall (s. Punkt 6) fiel dadurch automatisch oft eine ganze Zugverbindung bzw. der Zug, der die Strecke fahren sollte, aus.
Das ist mir einige Male passiert. Zum Glück nie auf dem Weg zu einem Arbeitsauftrag, sondern nur auf dem Heimweg. Da hatte ich aber einfach unsagbares Glück.
8. Wo ist meine Bus-/Bahnstation?
Ich habe bereits in meinem Artikel Das 9-Euro-Ticket (in Mecklenburg-Vorpommern) – Ein kritischer Blick erwähnt, das man die Infrastruktur des ÖPNV in Mecklenburg-Vorpommern in einigen Gegenden als „abenteuerlich” bezeichnen kann.
So ist es natürlich auch die letzten drei Monate geblieben. Es wurde nicht plötzlich neue Verbindungen erstellt, neue Gleise verlegt oder neue Busstationen aufgestellt.
Ziel des 9-Euro-Tickets erreicht?
Warum gab es eigentlich das 9-Euro-Ticket?
Nun, nicht nur als Teil des Entlastungspakets sollte das 9-Euro-Ticket angesehen werden, sondern es sollte für den Autofahrer auch Anreiz sein, das Kraftfahrzeug öfters mal zu Hause stehen zu lassen um dafür umso mehr die Bahn zu nutzen.
Ganz ehrlich – wer steigt vom Auto dauerhaft auf den ÖPNV um, wenn es sich nur um ein Angebot für drei Monate handelt?
Laut Befragungen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) als auch bei einer Untersuchung im Großraum München war sogar herausgekommen, dass lediglich nur rund drei Prozent (in Zahl: 3 % !!!) der Befragten ihr Auto zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs stehen ließen. Das ist verdammt wenig. Aber auch verständlich. Warum sollte man etwas dauerhaft abschaffen, wenn man als Gegenleistung nur etwas erhält, das für drei Monate gültig ist?
Entweder geht man gar nicht auf das Angebot ein oder man hat davor bereits den ÖPNV intensiv genutzt.
Mein Fazit!
Für den einen oder anderen waren das 9-Euro-Ticket sicher eine feine Sache. Alle zahlen für die Mobilität des gleichen Preis.
Für mich jedoch, eine Person, die eh fast täglich beruflich mit dem ÖPNV fährt war es eine stressige Zeit – und ich bin ehrlich gesagt sehr froh darüber, dass es vorbei ist. Selten habe ich so viele gestresste Menschen zusammengepfercht angetroffen wie in der Bahn. Und der Stress hat sich natürlich auch auf mich übertragen.
Ein Vorschlag für die Zukunft
Kaum knapp zwei Wochen gibt es das 9-Euro-Ticket nicht mehr, wird bereits heftig über eine Nachfolgeoption geredet. In der Politik wird diskutiert ob und wenn ja, welche Art von Nachfolge-Ticket es geben sollte.
Ich möchte da ein paar Vorschläge geben, wie man auf lange Sicht wirklich das Bahn fahren und allgemein den ÖPNV attraktiver machen kann, damit es wirklich zu einer Mobilitätswende kommt. Denn bisher sieht es nicht danach aus als hätte die Bahn das Auto ersetzen können – trotz 9-Euro-Ticket.
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Abschaffung des Tarifgrenzen
Ich gebe es zu: Es war in den letzten drei Monaten einfach wunderbar nicht über irgendwelche Tarifzonen nachdenken zu müssen. Ein 9-Euro-Ticket gekauft und schon kann die Fahrt im ÖPNV losgehen. In Mecklenburg-Vorpommern hab ich noch das Glück, das hier die Tarifzonen doch noch recht übersichtlich sind, aber ich weiß, dass es in anderen Bundesländern nicht so aussieht.
Zumal kommt hier auch die Tatsache zu Trage, das man um nur eine Verbundgrenze zu überschreiten oft man mehr zahlen muss (auch wenn es sich nur um eine Station handelt) als wenn man innerhalb einer Tarifzone fährt.
Kann mir da jemand erklären, warum das so ist?
Daher besser ein ganzes Land mit einem einheitlichen Tarif als das quasi fast jeder Landkreis seine eigene Tarifzone hat. Es schont Geldbeutel und auch die Nerven des Endverbrauchers. Und somit wird das vor allem das Fahren mit Bus- S- und U-Bahn attraktiver gemacht.
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Bahn fahren günstiger machen
Bahn fahren ist teuer. Sogar mit Bahncard 50. Ich fahre über zwei Jahrzehnten mit der Bahn und knapp so lange besitze ich auch eine Bahncard 50. Dennoch selbst mit dieser Bahncard finde ich die Ticketpreise echt teuer – besonders die für den Fernverkehr. Sparen kann man nur wenn man am besten Monate vorher weiß, wohin es mit dem Zug gehen sollte. Für Spontanreisende gibt es da kaum Spartarife oder -möglichkeiten. So wie man spontan mit dem Auto irgendwo hinfahren kann, sollten die Ticketpreise der Bahn so gestaltet sein bzw. so günstig sein, das man sich als ernsthaft überlegen kann, das Auto mal stehen zu lassen.
Der Verband der Verkehrsunternehmen spricht davon, das etwa 52 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft wurden. Das zeigt doch, wenn ein Bahnticket unschlagbar günstig ist, wird sie genutzt. Auch von Personen, die sich vielleicht so eine Fahrt nicht leisten können.
- Reservierungssystem einführen
Warum kann man eigentlich in Fernzügen Plätze reservieren aber in Regionalzügen nicht? Gäbe es diese Möglichkeit würde ich mich viel sicherer fühlen, dass ich einen Platz in einem vielleicht dennoch starken frequentierten Zug bekomme und dadurch werden Wartezeiten – weil Zug doch zu voll – vermieden werden. Das wäre ein Gewinn für den Endverbraucher.
Ob auch sowas für S- und U-Bahnen sinnvoll bin ich mir nicht sicher, weil hierbei – auch in den Bussen – eine stärke Frequentierung herrscht als bei Zügen. Zumal bei den erstgenannten Nahverkehrsmittel ja auch kürzere Strecken vorhanden sind als bei Zügen. Hier wäre eine Einführung eines Reservierungssytems weniger sinnvoll.
- Politiker! Macht was! Jetzt!
Natürlich kann ich weiterhin noch so viel Bahn fahren, wie es mir gefällt. Wenn sich nicht die Bundesregierung rührt, befürchte ich, das sich überhaupt nichts ändert und das 9-Euro-Ticket ein Sommertraum 2022 bleibt.
Quellen und lesenswerte Links
Hier sind noch einige weitere Artikel, die nach dem Ende des 9-Euro-Tickets erschienen sind – und worauf ich mich teilweise beziehe:
- Das 9-Euro-Ticket: Ein Erfolg? Daten & Studien – BSL Transportation Consultants (bsl-transportation.com)
- 9-Euro-Ticket führt nicht dazu, dass weniger Autos genutzt werden – Business Insider
- Bilanz der Verkehrsbetriebe: 52 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft | tagesschau.de
Die Links wurden am 14.09.2022 aufgerufen.
Hast du das 9-Euro-Ticket genutzt? Wie ist dein Fazit darüber?
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Jetzt kommt zum Glück das 49-Euro Ticket;)
Grüße
Mirou
Hallo Mirou,
ich bin sehr gespannt bei der Umsetzung.
Doch statt dem 49-Euro-Ticket wäre der Ausbau des ÖPNV – vor allem hier in Mecklenburg-Vorpommern – wünschenswert. Was nützt ein günstiges Ticket, wenn du nicht von A nach B kommst und du B nur mit dem Auto erreichst? Solange es bei diesem Status quo bleibt, ist Bahn und Bus keine wirkliche Alternative zum Auto. Schade.