Ein Spaziergang durch die Westruper Heide
„Über die Heide hallet mein Schritt;
dumpf aus der Erde wandert es mit.
Herbst ist gekommen, Frühling ist weit –
gab es denn einmal selige Zeit?“
(Aus: Über die Heide)
© Theodor Storm (1817 – 1888), deutscher Jurist und Schriftsteller
Eine Wanderung muss nicht immer auf Bergen, durch Moore oder in den Wald führen. Jetzt im Herbst sollte man vor allem Heiden aufsuchen, wo einem ein faszinierendes Farbspiel erwartet.
Doch es gibt in Deutschland unzählige Heidegebiete. Welche Heide soll man denn jetzt besuchen?
Ich hatte das Glück, dass ich per Zufall auf einer Fahrradtour durch die Haard (eine Hügellandschaft im Naturpark Hohe Mark) ein Kleinod entdeckt habe, das ich dir nicht vorenthalten möchte und ein Besuch sich auf jeden Fall lohnt.
Eine kurze Vorstellung: Die Westruper Heide
Die Westruper Heide ist ein Naturschutzgebiet, das bei Haltern am See (Nordrhein-Westfalen) liegt. Es ist ein etwa 90 ha großes Gebiet, das durch die B58 im Norden und die L 652 im Osten begrenzt ist.
Seit 1937 ist die Westruper Heide unter Naturschutz gestellt. Das Besondere an der Westruper Heide ist, dass es die größte Zwergstrauchheide in Westfalen ist. Jedoch ist die Heide kein natürlicher Lebensraum, sondern durch intensive Nutzung durch den Menschen entstanden.
Zwergstrauchheiden entstehen, wenn auf ihren Flächen eine kontinuierliche Beweidung z. B. durch Schafe, auf nährstoffarmen, bodensauren Standorten vorgenommen wird. Eine Beweidung ist dadurch möglich, da die hier ursprünglich gewachsenen Buchen- oder Birkenwälder im großen Maße abgeholzt wurden.
Das Holz verwendete man als Brennholz und auch das Laub wurde als Winterfutter für Stalltiere verwendet. Die abgeholzten Flächen wurden anschließend für Ackerbau und Beweidung genutzt. So wurde der Wald weiter zurückgedrängt und es konnten auf dem kargen Boden nur Pflanzen wie Wacholder, Ginster und Heidekraut wachsen.
Heute ist die Westruper Heide ein beliebtes Ausflugsziel. Die zahlreichen Wanderwege auf sandigen Grund laden zu Spaziergängen ein.
Insgesamt umfasst das Wegenetz innerhalb der Heide ungefähr 10 km. Auch ein Pfad für Rollstuhlfahrer und Blinde wurde angelegt. Über mehrere Eingänge ist die Westruper Heide ganzjährig zugänglich.
Meine Ankunft
Es ist frühmorgens, kurz nach 8:00 Uhr. Morgendämmerung.
Ich stehe mit „Patchwork“ gegenüber am Südosteingang an einem Auto-Parkparkplatz. Da keine Fahrradständer vorhanden sind, muss ich notgedrungen mein Fahrrad an einem Straßenschild abschließen. Danach überquere ich die Straße und schon befinde ich mich am Eingang der Westruper Heide.
Die ersten Sonnenstrahlen haben schon weite Flächen der Heide erreicht. Die Natur scheint hier jetzt langsam zu erwachen. Ich lasse meinen Blick über die Heide schweifen.
Ich bin allein.
Ab in die Heide
Am Südosteingang erwarten mich zwei Informationstafeln, die nur wenige Meter voneinander getrennt aufgestellt wurden.
Auf der ersten Tafel sind vier Wanderrouten ausgewiesen, die sich mit den Themen „Bienen“, „Dünen“, „Naturerlebnis“ und „Heide-Wald“ befassen. Zur leichteren Orientierung innerhalb der Heide sind die Routen jeweils einer Farbe zugeordnet.
Diese Farben kann man an den hölzernen Wegpfeiler an Kreuzungen und Wegabschnitten sehen. Da diese jeweils die Farbmarkierung der hier verlaufenden Routen zeigen, ist die Orientierung recht einfach. Man muss nur bei seiner ausgesuchten Farbe bleiben.
Ich entscheide mich für die Farbe Grün und nehme damit die „Naturerlebnis-Route“. Diese Route ist als Rundweg ausgewiesen. Für einen ersten guten Überblick über das gesamte Gebiet scheint es genau das Richtige zu sein.
Bevor ich meinen Spaziergang beginne, werfe ich einen Blick auf die zweite Tafel. Dort findet man Informationen über die Entstehung, seine Historie als Naturschutzgebiet, heutiger Naturschutz innerhalb der Heide, Tier- und Pflanzenwelt und sogar etwas Geologie. Yeah! Ich freue mich.
Gefüttert mit den vielen Informationen beginne ich nun meinen Spaziergang.
Von Süden nach Westen: Sand aus der Eiszeit
Ich stapfe auf einem sandigen Weg in Richtung Norden an der Westseite der Westruper Heide entlang. Die Sonne steht mittlerweile weit über den Horizont und es wird merklich wärmer.
Bereits nach den ersten Schritten habe ich das Gefühl, ich bin am Strand. Der Sand unter meinen Füßen ist jedoch nicht hier aufgeschüttet worden, sondern hat einen natürlichen Ursprung.
Vor zwischen 12 000 und 6 000 Jahren wurde das Gebiet der heutigen Westruper Heide dank Nordwinde mit nacheiszeitlichen Flugsanden bedeckt. Nach der letzten Eiszeit, als sich die Gletscher zurückzogen, wuchsen auf den frei gewordenen Flächen zuerst kaum Pflanzen.
So konnten Winde über die Brachflächen ungehindert wirken. Dadurch wurden leichte, feinkörnige Bodenpartikel (Sand) von den Winden erfasst und oft kilometerweit transportiert und schließlich abgelagert. So entstanden im Laufe der Zeit Dünen und Flugsandflächen. Diese Fläche bildeten dann einen recht nährstoffarmen Boden und nur anspruchslose Pflanzen konnten auf darauf wachsen.
Einer dieser anspruchslosen Pflanzen, die ich hier auch am häufigsten auffinde, ist das Besenheide (Calluna vulgaris). Sie ist auch die Pflanze, die den Heiden ihre typische rötliche Farbe verleihen. Da der Herbst hier schon recht weit fortgeschritten ist, ist die Blütezeit nahezu vorbei. Eine Faustregel sagt, das die Heide vom 8.08. bis 9.09 blüht.
Das Besondere an dem Heidekraut ist ihre morphologische Anpassung an dem Nährstoffmangel im Boden. Dies wird „Peinomorphosen“ genannt und kann bei höheren Pflanzen beobachtet werden. Bei der Besenheide werden die ledrigen Rollblättchen, deren Spaltöffnungen auf der Blattunterseite durch Haare geschützt sind, als eine solche Peinomorphose gedeutet.
Neben dieser Anpassung ist die Besenheide auch gleichzeitig ein Säure-Anzeiger. Sie wächst also daher nur auf Böden mit einem gewissen ph-Wert.
Ich finde – auch wenn es für eine Heide eher ungewöhnlich ist – vereinzelt Bäume vor. Es sind Stiel-Eichen (Quercus robur), die auch auf den nährstoffarmen Sandböden wachsen.
Ein besonders großes Exemplar einer Stiel-Eiche finde ich direkt bei meinem Weg in Richtung Norden vor. Ein Hinweisschild, das unmittelbar vor dem Baum steht, informiert über die hier anzutreffenden Vögel.
Von Westen nach Norden: Natürliche Grenzen und Architekten
Am nördlichsten Punkt meiner Wanderung angelangt, grenzt ein kleiner Waldabschnitt aus Kiefern (Pinus sp.), die eine natürliche Grenze zwischen Straße und Westruper Heide bilden.
Die Kiefern wurden einst hier gepflanzt, um den Bergbau im naheliegenden Ruhrgebiet mit Grubenholz zu versorgen. Mittlerweile hat die Kiefer aber ihren Wert als Grubenholz verloren, dennoch wurden die Bäume als natürliche Begrenzung stehen gelassen. Allerdings werden weitere nachwachsende Kiefern von ehrenamtlichen Helfern entfernt, um so eine weitere Verbreitung eines Kiefernwaldes einzudämmen.
Hier im Norden treffe ich auch erstmals auf Tierspuren. An einigen Heidebüschen sind die Bauwerke der Baldachinspinnen – auch Deckennetzspinnen genannt – (Familie Linyphiidae) zu beobachten. Diese 1,5 mm bis 3 mm großen Spinnen werden meist nur im Morgentau anhand ihrer Netze wahrgenommen.
Den Namen verdanken die Spinnen der Bauart ihrer Netze. Dieser werden nämlich horizontal und leicht gewölbt aufgespannt. Diese ähneln dann einem Baldachin – eine Art Sonnendach.
Von Norden nach Westen: Wacholder kreuz und quer
Nun setzte ich meinen Weg entlang an der Kieferngrenze fort in Richtung Westen. Je mehr ich mich der Westbegrenzung nähere, desto mehr Wacholderbüsche wachsen dort. Da die Wege sich an der Natur orientieren und nicht umgekehrt, wachsen die Wacholderbüsche so, wie es ihnen gefällt. Auch, wenn diese ab und an der Weg versperren oder ihn nahezu undurchdringlich machen.
Hier heißt es: Augen zu und durch!
An einigen Wacholderbüschen kann ich kleine bläuliche Zapfen erkennen. Diese Zapfen sind auch als „Wacholderbeeren“ bekannt.
Diese werden im getrockneten Zustand als Gewürzmittel für Braten- und Fischgerichte sehr gerne verwendet, da sie einen süßlichen, leicht harzig-bitteren Geschmack haben. Aber Vorsicht – eine zu hohe Dosierung kann zu einem seifigen Geschmack der Speise führen.
Von Westen nach Süden: Pilze im Wald
Am westlichsten Punkt meiner Route angelangt, finde ich mich plötzlich in einem Wäldchen voller dünner stämmiger Birken (Betula sp.) wieder. Auffällig ruhig ist es hier. Die angrenzenden Straßen im Osten und im Norden höre ich kaum noch. Nur ein Specht hämmert mit seinem Schnabel in unmittelbarer Nähe gegen einen Birkenstamm. Leider sitzt er zu hoch in den Bäumen, sodass sich ein schneller Schnappschuss kaum lohnt.
Das Birkenwäldchen ist eine schöne Abwechslung zur Heide. An einigen Birkenstämmen kann ich auch schöne Exemplare von Zunderschwämmen (Fomes fomentarius) erkennen. Auffällig ist ihre nahezu gleiche Farbe wie die des Baumstammes.
Hier im Wald treffe ich das erste Mal auf andere Menschen. Ein älteres Ehepaar stapft durch das Birkenwäldchen. Bewaffnet mit einem Weidekorb scheinen sie auf dem Boden etwas zu suchen. Es sind Pilzsammlern – doch welche Pilze werden hier gesammelt? Neugierig frage ich nach. Als Antwort erhalte ich: „Wir suchen Speckpilze!“
Speckpilze?!
Von diesen Pilzen habe ich nicht gehört.
Daher lasse ich mir ihren Fund in ihrem Sammelkorb zeigen. Die Speckpilze sind hellbraun und haben auf der Unterseite Lamellen. Ich musste den Kopf schütteln, auf Reaktion darauf, das mir diese Pilze völlig unbekannt sind. Ich wünschte dem Ehepaar noch beim Sammeln viel Erfolg.
(Hinweis: Bei meiner Nachrecherche zum „Speckpilz“ ergab sich, das dieser eigentlich Kahler Krempling (Paxillus involutus) heißt und zudem giftig ist! Dass nach dem Verzehr von Kremplingen bei den meisten Pilzessern nie Beschwerden auftraten, liegt einfach daran, dass sie bisher Glück hatten.)
So langsam endet mein Spaziergang, denn kaum habe ich das Waldstück verlassen, sehe ich schon nach einigen Schritten den Südostausgang der Heide. Ein letztes Mal lasse ich meinen Blick über das Gebiet schweifen und auf mich wirken.
Der Süden: Anfang und Ende
Geschafft!
Nach 1 ½ Stunden bin ich wieder an meinem Ausgangspunkt. Ich bin ein wenig wehmütig, denn ein schöner Ausflug geht zu Ende.
Ich habe mir hier sehr viel Zeit gelassen, denn die Naturroute ist sicherlich unter einer Stunde zu schaffen. Da die anderen Routen eine ähnliche Länge aufweisen, ist die Heide für einen kurzen Ausflug in die Natur gut geeignet.
Mein Fazit
Die Orientierung innerhalb der Heide war recht gut und die vielen aufgestellten Informationsschilder sind eine schöne Ergänzung zum Naturerlebnis.
Einerseits ist es Schade, das die Hauptblütezeit bereits vorbei ist, denn das ist die schönste Zeit für einen Heide-Besuch. Aber andererseits entgeht man so den vielen Besucherströmen und ich war ehrlich gesagt sehr froh, alleine durch die Heide zu stapfen.
Diese 1 ½ Stunden waren ein kurzes aber schönes Naturerlebnis. Gerne komme ich wieder. Es gibt schließlich noch drei weitere Routen, die es zu entdecken gilt.
Weitere Impressionen
Steckbrief: Spaziergang durch die Westruper Heide
Karte
Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Bus:
Vom Bahnhof „Haltern am See“ fährt der Bus 272E zwei Bushaltestellen „Seehof“ und „Abzweig Haus Niemen“ an, die im Norden direkt an der Westruper Heide liegen
Anreise mit Fahrrad
Parallel zur B58 verläuft ein Fahrradweg, der direkt zur Westruper Heide führt
Einkehrmöglichkeit
Keine, Lunchpaket mitbringen!
Quellen und lesenswerte Links
Wenn du mehr über die Westruper Heide wissen möchtest, können die folgenden Links helfen:
Hast du einmal eine Heide besucht? Vielleicht sogar die Westruper Heide? Was hast du dort erlebt oder beobachtet?
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