Ein Rundgang am Ende der Welt
„Manchmal ist sogar das Ende das Ziel.“
– Martin Gerhard Reisenberg (*1949), Diplom-Bibliothekar und Autor
Normalerweise bin ich kein Typ, der gerne bekannte Touristenpunkte ansteuert. Diese sind meist sehr belebt und nicht selten eine einfache Touristenfalle, die mit billigen Souvenirs und jede Menge Imbissbuden daherkommen. Für mich ist es, der gerne mal für sich und konsumkritisch eingestellt ist, eher nichts.
Dennoch, als ich in Cornwall einen Kurzurlaub machte, konnte ich es mir nicht verkneifen einen solchen Touristenmagneten zu besuchen. Es war Spätherbst und so erwartete ich keine Touristenströme an diesen Punkten. Und gegen den Kaufzwang wußte ich mich auch schon zu helfen.
So habe ich „Lands End“, den westlichsten Punkt Englands aufgesucht. Und habe ich es nicht bereut. Denn dort fand ich doch mehr Natur und Ruhe als ich dachte.
Was ist Land’s End?
Als „Lands End“ wird sowohl ein Ort als auch eine Landzunge bezeichnet, deren Spitze den westlichsten Punkt von England bildet. Die Spitze der Landzunge ist zudem die Trennungslinie zwischen der Keltischen See im Westen und dem Atlantik im Osten.
Lands End – Ein Wanderparadies?
Nicht nur der westlichste Punkt Englands wird hier gerne besucht, sondern es ist auch ein – was mir bis dato nicht bekannt war – ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen und Fahrradtouren.
Hier verläuft nämlich der „South West Coast Path“, der längste Fernwanderweg von Großbritannien. Er beträgt insgesamt etwa 1014 km und verläuft von Minehead (Grafschaft Somerset) entlang an den Küsten von der Grafschaft Devon und Cornwall bis nach Poole Harbour, eine Stadt an der Nordküste der Grafschaft Dorset.
Ursprünglich wurde dieser Weg angelegt, um bei jedem Leuchtturm Wächter zu patroullieren, die gegen Schmuggler eingesetzt wurden. Immerhin hat die Küste von Südwestengland jede Menge Buchten und damit jede Menge Versteckmöglichkeiten für dei Schmuggler zu bieten. Für die Wächter (sog. „Coast Guards“) wurde daher ein Weg möglichst nah an der Küste angelegt, damit man ein Blick in jede Bucht werfen konnte.
Heutzutage sind keine Schmuggler zu befürchten, doch der Weg gibt hervorragende Aussichten auf das Meer als auch die Küstenlandschaft von Cornwall. So wurde 1978 mit der letzten erstellten Etappe der Fernwanderweg „South West Coast Path“ eröffnet und auch zum „National Trail“ erklärt.
Der Verein „South West Coast Path Association“ ist für die Erhaltung und Pflege des Weges zuständig. Zudem bietet Hilfe bei der Vermittlung von Unterkünften, bildet Führer mit Abschlusszertifikaten aus und bietet dem zufolge auch Führungen auf dem South West Coast Path an.
Möchte man Teile oder den ganzen South West Coast Path erwandern, mußt man einfach nur der Wegmakierung Weiße Eichel (engl. acorn) auf schwarzem Grund folgen. Dieses Symbol gilt für alle National Trails in Großbritannien.
Landschaft und Geologie von Cornwall
Nur kurz blieb ich direkt bei Land’s End, denn ich wollte mehr von dem ursprünglichen Cornwall ohne Touristenansammlungen sehen. So ging für einen kleinen Spaziergang einen Rundweg an der Westküste entlang. Zwar weht hier heftig der Wind, doch das dan kann den Anblick der Landschaft nicht trüben. Einfach Wow!
Ich denke, kein Bild in Cornwall kommt ohne die Abbildung von den Klippen aus. Nahezu überall an der Küste entlang ist das Bild durch hohe schroffe Klippen geprägt. Und ich muß zugeben. Es sieht einfach fantastisch aus. Diese urige, schroffe, wilde Landschaft. Ich mag das.
Schauen wir uns mal ein wenig das Gestein an, woraus Cornwall und insbesondere Land’s End besteht: Der Kern von Cornwall besteht aus marinen klastischen Gesteinen der sogenannten Gramscatho-Gruppe. Diese Sedimente sind schwach metamorph geprägt und stammen aus der Zeit des Oberdevons (vor ca. 383 – 361 Millionen Jahre). In der letzten Zügen der variszischen Orogenese (u.a. wurde das Ural-Gebirge in der Zeit gebildet) im Unterperm (vor ca. 299 – 272 Millionen Jahren) drang dann der Granit in magmatischer Form in das oberdevonische Gestein ein und bildete dort einen riesengroßen erstarrten Gesteinskörper, das die Geologen als „Batholith“ bezeichnen.
Die Kontaktzone zwischen dem Granit und dem anstehenden Gestein wird in der Nähe des Leuchtturms „Longships Lighthouse“ vermutet, wobei der Leuchtturm bereits auf dem anstehenden Gestein steht.
Durch Verwitterungsprozessen gestaltet sich dann die Landschaft so, wie wir es heute noch sehen können. Dieser riesengroße Batholith bildete die schroffen Felsen und Buchten.
Hier bei Land’s End findet man zwei Arten von Graniten vor. Der erste Granittyp ist ein grobkörniger Granit mit auffällig großen Orthoklasen (ein Mineral), die bis in den Dezimeterbereich lang sein können. Ich habe Glück und finde überall immer wieder ein paar handgroße Gesteinsbrocken, wo die großen Orthoklasen gut zu erkennen sind.
Die andere Granit-Art, die man hier vorfindet, ist feinkörnig mit kleinen Phänokristallen versehen. Beide Granite sind dadurch zu unterscheiden, das bei der feinkörnigen Sorte die Verwitterung gleichmässiger verläuft. Ansonsten handelt es sich um das gleiche Gestein.
Der ferne Leuchtturm
Als ich mit dem Bus Lands End erreiche, habe ich richtig Glück mit dem Wetter. Es ist zwar bewölkt und ziemlich windig, doch die Sonne schafft es durch die Wolken und wärmt mich.
Am Klippenrand bei Land’s End kann man zum Atlantik blicken. Etwa in 2 km Entfernung kann man die Inselgruppe Longships mit der Insel Carn Bras sehen. Auf ihr steht der bereits vorhin erwähnte Leuchtturm „Longships Lighthouse“, der noch heute im Betrieb ist.
Bei sehr gutem Wetter kann man sogar die Scilly Inseln erkennen, die im Atlantik, nahe des westlichen Endes des Ärmelkanals liegen. Jedoch bleibt mir der Anblick, trotz des guten Wetters verwehrt. Ich kann einfach am Horizont keine Insel erkennen.
Das Schiffswrack
Um mehr von der Umgebung zu sehen, folge ich dem South West Coast Path nach Norden. Es ist ein einfacher Pfad , der mich an den Buchten entlang führt. Neben der tollen Natur und Küstenlandschaft gibt es hier ein weiteres Highlight. In einer Schlucht kann man noch Wrackteile des RMS Mülheim erkennen
Das Schiff befand sich 2003 auf der Fahrt von Cork (Irland) nach Lübeck. Durch schwere See geriet das Schiff an die schroffen Klippen von Cornwall in der Nähe von Sennen. Das Schiff lief bei den felsigen Klippen auf Grund und der Schiffsboden wurde zerstört. Die 6-köpfige Mannschaft konnte mit Hilfe von Hubschraubern der Royal Navy gerettet werden.
Zwar wurden einige Wrackteile geborgen und weggeschafft, doch man gab letztendlich das Bergen des gesamten Schiffes auf. So kann man noch heute die rostigen Überreste des Wracks sehen.
Maen Cliff Castle
Wer öfters mal in Großbritannien gereist ist und sich dabei Natur- oder Kulturdenkmäler ansieht, wird nicht an dem Symbol mit dem grünen Eichenblätter vorbeikommen.
Es ist das Logo des „Royal National Trust“. Eine Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, besondere Orte – sei es Natur oder Kulturhistorischen Ursprungs – zu bewahren, zu pflegen und aber auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Auch hier bei Land’s End begegnet man dem Eichenblatt-Symbol. Hier weist es auf den Eingang zum Maen Castle („Maen Burg“). Diese Burg wird auch als „Cliff Castle“ bezeichnet. Eine typische Befestigung aus der Eisenzeit (800 v. Chr – 43 n. Chr.), die überall an den Küsten von Cornwall zu finden ist.
Beim Maen Castle wurden zwei halbkreisfärmige Gräben auf einer Landzunge errichtet. Es gehört zu den ältesten sogenannnte „Cliff Castle“ in Cornwall. Sein Alter wird auf etwa 500 v. Chr. geschätzt.
Aufgrund seiner Bauweise wird das Maen Castle auch als „Promontory Fort“ bezeichnet. Das ist die englischsprachige Bezeichnung für Abschnittswälle aus der Bronze- und Eisenzeit. Oft liegen diese auf Vorgebirgen oder Halbinseln. Auf den Britischen Inseln sind diese Befestigen oft zu finden. Neben dem hohen Alter wird das Maen Castle aufgrund seiner Lage zu dem westlichsten Promontory Fort von ganz Englands gezählt.
Der Sennen Coastguard Lookout
Einen kleinen Abstecher, der mich von meiner kleinen Rundtour bei Land’s End etwas abbringt ist ein Coastguard Lookout bei Sennen. Die grobe deutsche Übersetzung lautet „Küstenwach-Ausguck“. Es ist ein einfaches Gebäude, das aus dem umliegenden Granit 1891 erbaut wurde.
Hier wohnten einst Personen, die zur Küstenwache dienten. Im Ersten Weltkrieg wurden extra Personen zum bewachen der englischen Küste hier eingesetzt. Im Zweiten Weltkrieg dienten hier die Klippen am Standort der englischen Marine als Trainingsort. Noch heute werden die Klippen zu Trainingzwecken von Soldaten, aber auch von Sportkletterern genutzt.
Tiere und Pflanzen von Land’s End
Neben Möwen, die leider im Flug eher schwierig zu fotografieren, finde ich überraschenderweise ein Insekt vor. Oder besser gesagt: das „Kind“ eines Insektes.
Es ist die Raupe eines Brombeerspinners (Macrothylacia rubi), die meinen Weg kreuzt. Diese Raupen habe ich bereits einige Male in Deutschland beobachten können. Diese Raupen sind leicht anhand ihrer schwarz und rotbraun gefärbte Behaarung zu erkennen. Bei dieser Färbung muß man schon fast von einer „adulten“ Raupe sprechen. Junge geschlüpfte Raupen sind klein, sind schwarz gefärbt und haben leuchtend orangen Segmenteinschnitten. Im Alter ändert sich dann die Färbung so, wie bei dem hier vorgefunden Exemplar.
Aufgrund seiner Färbung und Größe kann man erkennen, das es nicht mehr so lange dauert, bis aus der Raupe sich verpuppt und dann ein graubrauner Nachtfalter aus der Puppe schlüpft. Doch bis dahin muß die Raupe noch einmal überwintern, bevor es im Frühjahr mit der Verpuppung beginnt.
Die Haare der Raupe sollte man nicht anfassen, weil sie eine allergische Reaktion auslösen können. Bei Gefahr rollen sich die Raupen ein und es dauert eine Weile, bis sie sich wieder entrollen. Doch weder das eine noch das andere möchte ich bewirken. So beobachte ich das Tier, wie es seinen Weg von der einen zur anderen Seite fortsetzt.
Es ist zwar bereits Oktober, aber ich bin überrascht noch blühende Pflanzen zu sehen. Ich entdecke ein paar wenige Exemplare des Echten Leinkrautes (Linaria vulgaris). Sie aber jetzt in voller Blüte zu sehen, sollte aber einen überaschen. Immerhin ist ihre Blütezeit von Mai bis Oktober. Wie schön, das man noch im Spätherbst hier ein paar gelbe Farbtupfer in der rauhen und etwas homogenen aussehenden Küstenland zu sehen bekommt.
Die Küste gehört zu dem typischen Lebensraum des Echten Leinkrautes, aber es hat sich auch an menschengemachte („anthropogene“) Standorte angepasst. Daher wird das Leinkraut auch als „Apophyt“ bezeichnet.
Ein Tag geht zu Ende
Ein schöner Tag an der Küste von Cornwall neigt sich langsam dem Ende. Es wird nur noch ein paar Stunden hell sein, aber ich wollte nicht im völligen Dunkeln wieder in meiner Unterkunft in Penzance ankommen. Daher begeben ich mich nach dem Rundgang zur Bushaltestelle.
Fazit
Touristenfalle? Massenanlaufspunkt? Mintnichten. Jedenfalls nicht, wenn man diesen Ort im Spätherbst besucht. Ich war überrascht wie wenig Personen sich in Land’s End aufhielten.
Jedenfalls kann ich jetzt behaupten am westlichsten Punkt von England gewesen zu sein. Doch neben diesen „Rekord“ sollte man sich auf jeden Fall per Fuß auf den schmalen Coast Path entlang der Westküste nach Norden Cornwall und seine typische Küstenlandschaft auf sich wirken lassen. Warme Kleidung wird empfohlen, denn es ist ziemlich windig und das Wetter ist nicht beständig.
Im Sommer ist hier mehr los, doch die Highlights (Wrack der MS Mülheim, Maen Castle, Sennen Coastguard lookout) sind das ganze Jahr zu sehen. Wer folglich etwas mehr Ruhe und einfach das wilde Cornwall mit ein wenig Historie auf sich wirken lassen möchte, sollte den Rundweg im Frühjahr oder Herbst einmal gehen. Dann hat man (beinahe) das Gefühl, die Küste gehört einem allein.
Steckbrief: Rundgang bei Lands End
Karte
Der Route des Spaziergangs wurde mit Hilfe von Komoot erstellt.
Nahverkehr
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Bus: mit der Buslinie A1 kann man direkt von Busbahnhof Penzance nach Land’s End fahren
- Land’s End ist ein typischer Touristenpunkt. Neben typischen Fast Food findet man auch kornische Spezialitäten, die den Gaumen erfreuen.
Quellen und lesenswerte links
- South West Coast Past – National Trail (auf Englisch)
- Geologie von Cornwall – GEO ExPro (auf Englisch)
- Einfache geologische Karte von Land’s End – British Geological Survey (auf Englisch)
- Geologie von Corwall mit u.a. Entstehung eines Batholith (auf Englisch)
- Einführung in die Geologie von Land’s End (auf Englisch)
- Mayon Cliff – National Trust (auf Englisch)
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