Naturfotografie bei Instagram und Co. – Ein Problem?
„Schein und Wirklichkeit – schließen sich in der Fotografie nicht aus.“
© Klaus Ender (*1939), deutsch-österreichischer Fachbuchautor, Poet, bildender Künstler der Fotografie
Wandern und Fotografieren.
Nichts kann man wohl besser kombinieren, wenn man sich in der Natur bewegt.
Egal, ob kleiner Spaziergang oder eine ganze Tagestour. Die Kamera ist immer dabei. Letztendlich schreibe ich ja auch über meine Wandertouren und möchte anhand von Fotos meine geschriebenen Worte visuell unterstreichen und den einen oder anderen dazu animieren, auch die beschriebene Tour ebenfalls mal erwandern.
2004 habe ich meine erste digitale Kamera bekommen und seitdem fotografiere ich sehr sehr viel – und nicht nur ich. Dank der digitalen Kameras, ihrer hohen Speicherkapazität und den praktischen Smartphones, werden heutzutage mehr denn je Fotos veröffentlicht und in den sozialen Netzwerken geteilt. Hierbei kann man sich natürlich über die Qualität und Geschmack der Fotos streiten.
Neben Selfies, Foodporn und „Ich-beim-Yoga“ haben auch Naturfotos vermehrt ihren Platz in den verschiedenen sozialen Netzwerken gefunden. Das finde ich im ersten Moment großartig; denn ich finde, nichts ist schöner als die Natur – aber ein genauer Blick auf das Ganze lässt die Freude doch schnell verschwinden und den Finger auf den Auslöser vielleicht für einen Moment erstarren.
Der Fall „Berchtesgaden“
Ein kürzlich veröffentlichter Post (siehe hier), den ich auf Twitter entdeckt habe, hat mich zum Nachdenken gebracht.
Inhalt des Artikels: Eine Influencerin im Bikini lichtete sich in einem mit wassergefüllten Felsvorsprung (sog. „Gumpen“) ab. An sich kein Problem, oder?
Doch, es ist ein Problem. Warum?
Die Stelle, wo die Aufnahme gemacht wurde, befindet sich außerhalb der ausgeschilderten Wege im Nationalpark Berchtesgaden. Unterhalb von diesen Wasserbecken fließt der Königsbach-Wasserfall. Alles in allem eine gefährliche Stelle, das im Frühjahr 2019 sogar zwei Männern das Leben kostete.
Der Zugang zu diesem sogenannten „Natural Pool“ ist beschwerlich und es wird häufig vor dem Abstieg zu dieser Stelle gewarnt, da er nicht ganz ungefährlich sei. Dennoch hat es der bereits erwähnten Influencerin nicht davor zurückgeschreckt, doch ein Foto von dort zu machen. Es blieb aber nicht nur bei einem Foto.
Hinzu kam noch, dass sie ein Video vom Fotospot mithilfe einer Drohne filmte und diesen ebenfalls veröffentlichte. Drohnenflüge sind aber im Gelände des Nationalparks verboten.
Es dauerte nicht lange und – neben Lob und Bewunderung ihrer Instagram-Follower für das Foto und das Video – hagelte es auch Kritik und das mit Recht!
Was hat sie in einem nicht öffentlich zugänglichen Bereich des Nationalparks zu suchen? Nichts! Und warum wurde ein Film mit einer Drohne gedreht, obwohl es untersagt ist? Hier hätte man sich einfach beim Nationalparks informieren können (siehe hier). Letztendlich bleibt die Handlung der Influencerin ein Rätsel.
Die Nationalparkaufsicht ist zum Glück letztendlich auch auf ihr Instagram-Bild aufmerksam geworden. Sie haben der Influencerin angeraten, das Bild zu löschen, um mögliche Nachahmer zu vermeiden.
Ergebnis: Sie änderte zwar ihre Instagram-Bildtext, aber das Bild – das eigentliche Problem – blieb. Kopfschütteln und Seufzen meinerseits – und nicht nur bei mir.
Bei meiner weiteren Recherche zu diesem Fotospot, sah ich noch weitere Bilder von der besagten Stelle mit anderen Personen. Auch fand ich Videos und sogar Blogartikel, wo eine genaue Wegbeschreibung zum „Gumpen“ zu lesen war.
Wenn man sich dazu die Kommentare zu diesen Beiträgen durchliest, stehen einem die Nackenhaare zu Berge. Lob und Bewunderung und viele Likes sind dem Selfie im Wasserbecken natürlich sicher. Doch es bleibt nicht bei diesen Huldigungen für das Bild, einige der Kommentare verkündeten sogar, ebenfalls diese Fotospot zu besuchen. Damit hat das Bild die Masse (statt Klasse) erreicht.
Kritische Stimmen muss man da bei einigen der veröffentlichen Blogartikeln und Bilder noch etwas suchen – aber es gibt sie. Doch die Autoren scheinen auf diese Stimmen nicht einzugehen – oder man redet sich heraus. („Wir nehmen doch unseren Müll mit.“)
Interessant sind auch hierbei die Stimmen einiger Einheimischer aus dem Berchtesgadener Land. Diese mahnten, doch den Fotospot in Ruhe zu lassen. Nicht nur weil es gefährlich sei dorthin zu gehen, sondern weil ein Stück Natur dadurch zerstört wird. Auch wird der Wunsch geäußert, bitte den Blogbeitrag und/oder das Video zu löschen.
Reaktion auf die Bitten: Nichts. Nada. Oder sich herausreden.
Masse statt Klasse – Leider kein Einzelfall
Es kommen anhand des genannten Beispiels Probleme auf, die man allgemein auf die Veröffentlichung von Naturbildern in den sozialen Netzwerken übertragen kann.
Der hier erwähnte Felsenvorsprung war einst ein Geheimtipp unter den Einheimischen. Jetzt gehört er zu der Kategorie „Instagram-Hotspots“. Das sind Orte mit einmaligen Landschaften oder Gebäude mit einer ungewöhnlichen Architektur, die jetzt – vor allem dank Instagram – von Massen angelockt werden. Mit Massen meine ich keine Profi-Fotografen, sondern ganz normale Menschen und Amateur-Fotografen, die mit ihren Smartphones (oder ihren Kameras) immer das nächstbeste Motiv suchen.
Eine einzige Person, die eine geschützte Blume bei diesem Foto-Spot umknickt und sich dadurch nicht vermehren kann – das ist kein Problem. Wenn sich eine Person beim Foto-Spot sich abseits der Wege bewegt – auch das ist kein Problem.
Aber wenn Tausende von Menschen denken, sie seien nur diese eine Person, die das macht – dann ist das ein Problem! Und zwar ein nicht unterschätztes Problem. So entstehen die Massen an den Hotspots, die leider dann nicht nur Fotos schießen. Müll und Feuerstellen sind in der Nähe dieser Spots keine Seltenheit mehr.
Ehemals unberührte Naturflächen werden durch die Massen an Besuchern zertrampelt. Wo einst nur Tagesbesucher waren, kampiert man heute gleich für mehrere Tage. Und zu guter Letzt werden nach dem erfolgreichen Fotoshooting die Zelte und Schlafsäcke einfach zurückgelassen. Aus den Schlafplätzen werden Müll in der Landschaft.
Beim Besuch dieser Hotspots wird dabei häufig das ausgelassen, weswegen man eigentlich gekommen ist: die Natur. Doch hier ist sie nicht mehr der Star, sondern dient nur noch als Kulisse der eigenen, möglichst optimalen Selbstinszenierung.
Alles wegen einmal Knipsen. Wegen eines Fotos. Wegen eines Selfies mit schöner Naturkulisse im Hintergrund. Wegen ein paar „Likes“. Ein Foto von sich selbst – mit der Natur als Beiwerk, die ironischerweise durch solche Aktion nicht schöner wird, sondern zerstört wird.
Es ist ein Teufelskreis.
Problemlösung: 7 einfache Regeln auf die Hand – und sofort umsetzbar!
Wie kann man das Problem lösen? Wie kann man den Teufelskreis entrinnen?
Es braucht an ein paar Regeln auf die Hand, die jeder – wirklich jeder, der sich in der Natur bewegt – befolgen sollte. Immer – ohne Ausnahme! Es gibt keine Ausnahme!
Nur so kannst du wirklich mit ruhigen Gewissen deine Fotosession in der Natur machen. Zudem wird das Konfliktpotenzial Mensch und Natur gewaltig reduziert – und du kannst davon ausgehen, dass dann deine Kindeskinder ebenfalls das Motiv in seiner Schönheit erleben können, wie du es einst getan hast.
1. Du bist nur Gast
Du bist Influencer? Promi? Hast Tausende von Followern?
Das ruft bei Mutter Natur nur Achselzucken hervor. Du bist ihr egal. Bewegst du dich aber in ihr – bist und bleibst du Gast. Nicht mehr und nicht weniger. Mutter Natur bestimmt die Regeln, nicht du!
2. Auf dem Weg bleiben
Immer auf dem Weg bleiben!
Keine Regel ist wohl einfacher zu befolgen als diese. Sofern man ausgeschilderte Wanderwege nicht verlässt, kann man schon einen wesentlichen Teil dazu beitragen, das die Rückzugsorte der Natur nicht gestört werden und für weitere Generationen erhalten bleiben.
Betritt man Naturschutzgebiete oder Nationalparks, sollte man sich mit den dortigen Sonderregelungen vertraut machen und ohne Ausnahme (!!!) befolgen. Hier helfen Flyer und Webseiten bei der Informationsrecherche.
3. Kein Lärm
In der Natur sollte man sich möglichst leise bewegen. Das heißt jetzt nicht, das man sich nur schleichend und flüsternd fortbewegen soll. Normal gehen, normal reden – das ist okay.
Aber bitte lasse jede Art von Radio, Lautsprecher u. ä. zu Hause, den du bist schließlich in der Natur. Dann sei auch bitte mit all deinen Sinnen dabei.
4. Die Natur bestimmt das Motiv – nicht du!
Zeit und Geduld. Das ist die Grundeigenschaft, die man beim Fotografieren in der Natur mitbringen sollte. Die Natur wartet nicht darauf, von dir und deiner Kamera entdeckt zu werden – und so verhält sie sich auch. Das Quäntchen Glück für ein Motiv gehört dazu. Und wenn es heute nicht klappt, vielleicht dann morgen. Und wenn es gar nicht mit dem Motiv klappen sollte, genieße dann doch einfach mal die Natur so – ohne ein Smartphone oder Kamera in der Hand.
5. Hinterlasse keine Spuren!
Du kennst vielleicht den Spruch von Chief Seattle: „Nimm nur Erinnerungen mit, hinterlasse nichts außer Fußspuren.“ Bei Fußspuren hinterlassen ist natürlich gemeint, das man sich auf den Pfaden bewegt (s. 2. Regel)
Pflücke keine Blume ab, egal wie schön sie ist. Knicke nichts um, reiße nichts aus der Erde heraus. Jage Tieren nicht hinterher oder erschrecke sie mit lauten Geräuschen.
Nimm keine Tiere oder Pflanzen mit. Sie sind Teil des Ökosystems und haben ihre Funktion.
Was du aber immer mitnehmen solltest, ist dein eigener Müll! Oder noch besser, hinterlasse den Ort sauberer als vorher. Nimm Müll, den du findest, einfach mit.
Tipp: Von einem Bekannten habe ich übernommen, bei Wanderungen auch den Müll, den man findet, mitzunehmen. Eine kleine Plastiktüte kann schließlich jeder in seine Hosentasche verstauen.
6. Bildung ist Macht
Vor jedem Fotoshooting sollte man sich informieren, wo Schutzgebiete liegen und welche Regeln darin gelten. Hierbei helfen das Internet, Flyern und Karten, auf Tafeln vor Ort und auch die Touristeninformation.
Denn wer vorab informiert ist, betritt keine verbotenen Gebiete und man kommt mit dem Gesetz nicht in Konflikt.
7. #nogeotagging – Geheim ist besser!
Unter „Geotagging“ versteht man das Hinzufügen von GPS-Daten des Aufnahmeortes bei digitalen Fotos.
Für die private Fotosammlung sind solche Informationen natürlich sehr wertvoll, wenn man mal den Standort eines Fotospots vergessen haben sollte. Doch für die Öffentlichkeit haben solche Informationen nichts zu suchen. Es verleitet natürlich anderen, die diese Informationen auslesen können, genau diesen Punkt auch zu besuchen.
Die Funktion kann man aber bei Smartphones ausschalten. Auch bei Kameras kann man diese Zusatzfunktion unterbinden. Nähere Beschreibungen zum Ort sollte man nicht herausgeben. Damit bleibt der Ort geheim. Denn ein Geheimtipp ist nicht mehr geheim, wenn jeder davon weiß, oder?
Darf man denn jetzt weiter fotografieren und veröffentlichen?
Ja – auf jeden Fall!
Fotografieren ist ein tolles Hobby, das möchte ich niemanden verbieten. Fotos ermöglichen die kleinen und großen Wunder der Natur zeigen. Sie ermöglichen zudem ein Bewusstsein für das Thema Natur zu schaffen – doch bitte nicht auf deren Kosten.
Drücke daher den Auslöser mit Bedacht. Denn jedes Foto, das man in den sozialen Netzwerken veröffentlicht, kann eine große Auswirkung haben. Es ist wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, der letztendlich einen Sturm auslöst.
Gehe hinaus in die Natur, befolge die oben genannten Regeln und deine Kindeskinder werden noch die Natur sehen, wie du sie gesehen hast.
Danke!
Last but not least: Ein Dank an die, die es richtig machen
Sind jetzt alle, die ein Foto von der Natur machen automatisch Naturzerstörer. Nein, natürlich nicht.
Es gibt tolle Fotografen-Accounts in den sozialen Netzwerken, die wirklich tolle Bilder von Fauna und Flora zeigen, ohne das sich der Fotograf in einer Selbstinszenierung verliert. Bei einigen Accounts muss man regelrecht nach der Person hinter der Kameralinse suchen.
Auch lobend zu erwähnen sind Accounts von richtigen Naturschutzaktivisten, die sogar auf die Missstände der „Instagram-Spots“ aufmerksam machen. Bravo!
Ihr – die Blogger, Fotografen u. ä. – denkt mit und habt nicht euch, sondern hauptsächlich die Natur im (Kamera)-Fokus.
Ich danke euch vom ganzen Herzen. Schön das es euch gibt.
Weitere lesenswerte Artikel
Kritische Texte zu Instagram und Co. in Bezug auf das Thema Reisen gibt es mittlerweile mehr im Netz zu finden. Hier ein paar Artikel:
- When not to geotag while travel – National Geographic
Verhaltensregel für Naturfotografen/-innen – Bundesamt für Naturschutz (PDF-Datei)- Liked To Death: Is Instagram & Social Media Ruining Travel? – www.expertvagabond.com
- Instagram influencers ruined travel. Can these influencers fix it? – sea.mashable.com
- Ortsangaben in Fotos: Praktisch und gefährlich zugleich – www.maclife.de
Die Links wurden zuletzt am 12.02.22 abgerufen
Wie ist deine Meinung zu Naturfotos auf Instagram und Co.? Siehst du die Veröffentlichung von Natur-Lokalitäten in den sozialen Netzwerken als Problem an?
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