Ein Besuch bei der Vietingshöhle
„Was können denn Räuber einem Wanderer wegnehmen, wo die Taschen vollkommen leer sind?“
© Lucius Apuleius (um 123 – nach 170), auch Apuleius Madaurensis, Apuleius von Madaura oder Apuleius von Madauros; antiker Schriftsteller, Redner und Philosoph
Manchmal kommt die Inspiration für eine Wanderroute per Zufall zu mir. So war es auch, das ich bei einer Recherche eine Lokalität fand, die mein Interesse weckte. Es ging um eine Räuberhöhle. Eine Räuberhöhle in Mecklenburg-Vorpommern? Ich weiß, das es hier einst Piraten gab – aber Räuber?!
Meine Neugierde war geweckt und so war ich prompt im Januar in diesem Jahr in der Stadt Parchim und habe dort in der Nachbarschaft eine Räuberhöhle aufgesucht.
Durch Parchim im Nebel
Frühmorgens habe ich den Zug nach Parchim genommen. In den frühen Morgenstunden liegt alles noch im Nebel. Eine besondere Stimmung kommt auf. Nicht direkt gruselig, aber auch nicht unbedingt freudenstrahlend wie beim klaren Sonnenschein.
Ich gehe direkt vom Bahnhof aus in Richtung Süden, den „Ziegeleiweg“ entlang. Eine kleine Allee von Stieleichen schreite ich hindurch. Links von mir – aber nicht zu sehen – liegt ein Teil der insgesamt 120 km langen Müritz-Elde-Wasserstraße. Sie ist ein kleiner aber dennoch schiffbarer Kanal der die Großen Seen der mecklenburgischen Seenplatte mit der Elbe verbindet.
Ich bleibe aber auf dem Trockenen und folge dem „Ziegeleiweg“ soweit bis ich auf der anderen Straßenseite eine zweite Einfahrt in den Wald sehe.
Einmal kurz über die Straße und da stehe ich vor einer Absperrung, die aber eher für Fahrzeuge, als für Fußgänger gilt. Ich gehe an der Absperrung vorbei. Nun heißt es: Ab in den Wald!
Durch den Gruselwald
Zuerst muß ich eine Anhöhe hinauf. Eine Wegbeschilderung, die mir den Weg zur Vietingshöhle zeigt, finde ich nicht. Überhaupt, ich finde überhaupt keine Anhaltspunkte, wo sich diese Höhle befindet. Da bin ich froh, dass ich zur Orientierung die Kartenfunktion der App c:geo nutze.
Auf der Anhöhe angelagt, blicke ich mich zum ersten Mal ein wenig umher. Zu meiner Linken scheint der Wald an Dichte zuzunehmen. Doch was ist das? Ein Heuballen? Mitten im Wald?! Was hat das hier zu suchen?!
Der Wald ist mir nicht ganz geheuer.
Ich erlaube mir einen Blick nach oben. Lange und bizarr gewachsene Bäume, die sich als schwarze Silhouetten vom grauen Himmel abheben, verstärken den Gruseleffekt.
Doch ich versuche mich zu besinnen, wo ich bin. In einem Wald. In einem ganz normalen Wald. Der Nebenl lichtet sich jetzt auch mehr und ein normaler Wald im Winter (ohne Schnee) kommt zum Vorschein. Der Gruseleffekt verschwindet langsam.
Aus dem Gruselwald wird ein Buchenwald. Die roten Blätter auf dem Waldboden verraten mir, welche Bäume hier stehen: es ist die Rotbuche (Fagus sylvatica), einer der häufigsten Laubbäume in Deutschland. Die unverkennbaren rot gefärbten Blätter bilden einen rot-braunen Teppich, der den Waldboden nahezu vollständig bedeckt – das klingt schon weniger gruselig.
Zum Vorschein kommt auch zum ersten Mal eine Wegbeschilderung, die mir aber nicht viel hilft. Es ist nur ein Hinweis, welchen Weg Reiter benutzen dürfen. Mein Weg ist es also nicht, denn ich muß nach links abbiegen und befinde mich nun auf einem sehr matschigen Waldpfad. Immerhin ist er so breit, das ich viele matschige Stellen und Pfützen einfach umgehen kann.
Bei der Vietingshöhle
Erst kurz bevor ich die Höhle erreiche, sehe ich zum ersten Mal ein Schild, das auf die Vietingshöhle hinweist: 30 m. Es geht auf einem kaum erkennbaren Weg entlang und erreiche eine Art Vorplatz, wo mich mehrere Bänke, eine Informationstafel und der Räuber Vieting selbst begrüssen.
Doch wo ist nun die Räuberhöhle? Man wird vielleicht etwas enttäuscht sein, aber bei der Vietingshöhle handelt es sich nicht um eine Höhle, sondern um eine Holzhütte. Würde das Schild „Vieitingshöhle“ nicht über die Hütte stehen, würde ich es als normale Holzhütte, die ich von anderen Wandertouren kennen, betrachten.
Natürlich kann man die „Höhle“ betreten, aber interessantes kann man nicht wirklich sehen. Es ist letztendlich eine einfache Holzhütte mit Sitzgelegenheit und Tisch.
Wer ist Räuber Vieting?
Um zu erfahren, wer eigentlich der Räuber Vieting ist bzw. war, hat man neben der überlebensgrossen Holzfigur von Vieting ein Informationsschild aufgestellt. Räuber Vieting ist eine Sagengestalt, deren erste schriftliche Überlieferungen aus dem Jahre 1670 stammen.
Laut den Überlieferungen, war Räuber Vieting ein Räuberhauptmann, der mit seiner Räuberbande sein Unwesen in den Wälder bei Parchim trieb. Nach den jüngsten Überlieferungen hatte Vieting und seine Räuberbande einst ein Mädchen gefangen genommen und in die Räuberhöhle gebracht. Doch als dort die Vorräte zu Neige gingen, haben die Räuber das Mädchen beauftragt, neue Vorräte aus der Stadt zu beschaffen. Mit einer List hat das Mädchen den Rückweg zur Räuberhöhle mit Erbsen ausgelegt und so konnte die Soldaten der Stadt die Räuberbande endlich auffinden und gefangen nehmen.
Natürlich hat sich im Verlaufe der Jahrhunderte die Geschichte des Räuber Vietings geändert. Es kamen mehr Details hinzu. Doch was jetzt alles wahr ist oder nicht – das lässt sich so gut wie gar nicht mehr herausfinden. Am wahrscheinlichsten ist wohl aber, das die Sage um den Räuber durch ein einfaches Naturphänomen zu verdanken ist.
Der Standort der heutigen Vietingshöhle liegt nicht unweit dem Naturschutzgebietes „Sonnenberg“. Dort kann man bei warmen Tagen beobachten, dass über dem Sonnenberg ein leichter Nebel hängt. Das hat wohl die Fantasie der nahen Bewohner angeregt und man dachte, das dort auf dem Sonnenberg wohl jemand wohnte. Denn Nebel ist ein Anzeichen dafür, das jemand dort kochte oder Brot backte. Ein Räuber?! Vielleicht…
Jedenfalls ist dieses Phänomen noch heute beobachten.
Rückweg mit Douglasien
Den gleichen Weg zurückgehen finde ich nicht so spannend, daher habe ich mich entschlossen einen Rundweg zu machen. Ich gehe also ein Teil des Weges nach Süden. Ich weiss nicht ehrlich gesagt nicht, was mich dort erwartet. Entweder ich entdecke etwas Spannendes oder es wird einfach ein Spaziergang durch den Wald sein.
Auf meinem Weg in Richtung Süden entdecke ich einige Douglasien. Nanu, die gehören aber nicht zu den einheimischen Bäumen. dennoch zählt hier das Gebiet südlich von Parchim zum massenreichsten Douglasienbestand Mitteleuropas. Vor etwa 100 Jahren wurde der Nadelbaum, der ursprünglich aus Nordamerika stammt, erstmalig hier gepflanzt.
Ich hebe einen Zapfen auf. Anhand des Zapfens kann man bereits erkennen, das er zur Gewöhnlichen Douglasie (Pseudotsuga menziesii). Leicht daran zu erkennen, das die Deckschuppen weit über die Samenschuppen hinausragen und das deren Ende in drei kleine Spitzen übergeht. Das ist als Erkennungsmerkmal unverwechselbar.
Bei den Douglasien finde ich auch zum ersten Mal ein Schild zur Orientierung vor. Warum erst hier? Warum nicht nördlich der Vietingshöhle?
Die Vietingshöhle ist gut auf der Karte zu erkennen und ein paar weitere Highlights kann ich aus der Karte entnehmen.
Da ich für heute nur einen kleinen Ausflug geplant und mein eigentliches Ziel bereits erreicht haben, gehe ich zurück in die Innenstadt von Parchim. Die anderen Highlights besuche ich das beim nächsten Mal.
Ein wenig verärgert gehe ich den Waldweg entlang. Doch lohnt es sich darüber aufzuregen? Eigentlich nicht. Für Januar ist es ziemlich mild, kein Schnee, der eine Wanderung erschweren würde, die Vietinghöhle habe ich gesucht und gefunden und mein Rückweg wird ohne eine Steigung zu nehmen, auch recht einfach sein.
Hm, vielleicht bin ich als Wanderer einfach auch nur verwöhnt. Mit etwas weniger Ärger im Bauch und mit dem Gedanken, mein Tagesziel geschafft zu haben, gehe ich in Richtung Bahnhof.
Fazit
Schade – keine klare Ausschilderung zur Vietingshöhle. Hier hilft nur vorab eine gute Vorbreitung und Kenntnisse der Wege, damit man weiß, wohin man laufen muß (oder man hat einen Parchimer dabei, der den Weg zur Vietingshöhle kennt). Neben dieser kleinen Enttäuschung kommt eine weitere hinzu: die Räuberhöhle ist keine richtige „Höhle“, sondern eine Holzhütte.
Dafür ist die Lokalität positiv hervorzuheben. Hier gibt es viele Sitzgelegenheiten und bei Regenwetter kann man Schutz in der Vietingshöhle suchen. Zumal ist es hier sehr ruhig. Man meint, meilenweit von jeder Zivilisation zu sein. Auch ist hier positiv hervorzuheben ist ein Informationsschild aufgestellt wurde, dass dem Besucher einiges über den Räuberhauptmann erfahren lässt.
Die Vietingshöhle ist eine eher unbekannte Ecke, die sich für einen Ausflug eignet. Eine bessere Beschilderung würde der Orientierung dahin helfen, aber vielleicht ist es auch Absicht, den Standort nicht so deutlich hervorzuheben. Wer weiß, vielleicht hat der Geist von Räuber Vieting was dagegen.
Weitere Impressionen
Steckbrief: Spaziergang zur Vietingshöhle
Karte
Hinweis: Der Weg von den „Mächtigen Douglasien“ in Richtung „Wanderkarte Parchim“ verlief nicht zurück, sondern nach rechts. Allerdings konnte dieser Streckenabschnitt auf der Karte nicht eingezeichnet werden
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Zug: Regionale Bahnen fahren nach Parchim Bahnhof. Von hier aus beginnt bereits der Spaziergang zu Vietingshöhle
Bus: Regionale Busse fahren von den umliegenden Städten nach Parchim.
Einkehrmöglichkeiten
In der Stadt Parchim hat man unzählige Möglichkeiten einzukehren.
Wegbeschaffenheit
Nur auf dem Weg durch die Stadt Parchim geht man auf einer gepflasterten bzw. asphaltierten Straße, die Strecke zur Vietingshöhle sind Waldwege, die – je nach Witterung – sehr matschig sein können. Südlich der Vietingshöhle sind breite Waldwege vorhanden, die auch zum Fahrrad fahren geeignet sind.
Quellen und lesenswerte Links
Mehr über Parchim, Räuber Vieting und Douglasien erfährst du hier:
Warst du schon einmal zu Besuch bei der „Vietingshöhle“? Oder gibt es andere „Höhlen“ oder sogar „Räuberhöhlen“, wohin sich ein Besuch lohnt?
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