12. HWN-Tour: Von Bad Harzburg zur Eckertalsperre
„Ein Blick, tausend Sichtweisen.“
– Siegfried Wache (*1951), technischer Zeichner, Luftfahrzeugtechniker und Buchautor
Gestern war ich mit B. noch auf den recht flachen Butterberg von Bad Harzburg unterwegs gewesen. Heute werden wir allerdings mehrere 100 Höhenmeter überwinden. Dabei werden immer die höchste Erhebung des Harzes – den Brocken – im Blick haben.
Naja, fast immer.
Unser Einstieg in Bad Harzburg zur unserer ersten Stempelstelle („Aussichtsreich“ Burgberg) ist dank guter Ausschilderung kein Problem und einfach zu finden. Der Waldweg ist sehr breit und gut ausgebaut, aaaaaaber steil.
Uff.
Das kann ja eine Tour werden.
Ein steiler Aufstieg
Ächz. Stöhn. Seufz.
Wir schwitzen. Das der Anstieg so steil wird – damit haben wir nicht gerechnet. Immerhin, über eine schlechte Beschilderung und einen schlechten Wegzustand können wir uns nicht beklagen. Alles ist hier top. Sogar das Wetter ist wunderbar. Meckern ist also nicht drin. Weiter geht’s!
Ein Teil der heutigen Wanderung durch den Nationalpark Harz verläuft auf den Spuren der größten Kleinkatze in Deutschland: Der Luchs. Beim Aufstieg fällen uns die Holzpfähle mit einem Abbild eines Luchskopfes auf. Es ist das Symbol des 16,4 km langen Rundweges „Luchstour“.
Der Luchs, eigentlich Eurasischer Luchs (Lynx lynx), ist im Harz vor 200 Jahren noch heimisch gewesen. 1818 wurden leider die letzten Harzer Luchse getötet. Aber seit Anfang der 2000er Jahre bemüht man sich mit Auswilderungsprojekten den Luchs wieder im Harz heimisch zu machen. Dies ist wohl auch schon teilweise geglückt.
Der Luchs ist trotz seiner Größe mehr mit unserer Hauskatze verwandt als mit einem Tiger oder Löwen. Zudem können Luchse wie Hauskatzen auch Schnurren. Doch ich glaube, das wir auf der heutigen Wanderung weder das Schnurren noch überhaupt etwas von einen Luchs sehen werden. Diese Tiere sind sehr scheu und nur mit gaaaanz viel Glück erblickt man einen dieser Katzen.
Wir folgen den Holzpfählen mit dem Luchskopf bis wir unseren ersten Halt bei der Bergstation der Burgberg-Seilbahn machen. Gerade kommt ein Seilkabine nach oben, als wir neben der Station ins Tal blicken. Hier haben wir jetzt 186 Höhenmeter überwunden.
Bei der Bergstation kann man nicht nur auf ein Teil von Bad Harzburg hinunterblicken, sondern wenn man seinen Blick in die Ferne schweifen lässt, ist bei gutem Wetter auch der Brocken sehr gut zu sehen.
Bei dem heutigen Wetter ist die Brockenspitze sowohl Wolken- als auch Nebelfrei. Auch die Sendeanlagen auf der Brockenspitze sind gut zu erkennen.
Unsere erste Stempelstelle ist nun nicht mehr weit. Direkt am Zaun des Gasthauses „Aussichtsreich“ finden wir den unscheinbaren Stempelkasten mit der Nummer 121 vor.
Ein Blick hinunter in die Geologie
Bei der Canossa-Säule blicken wir ins Tal auf die Stadt Bad Harzburg und das dahinter liegende Harzvorland. Dank der Solequellen hat sich die Stadt zu einem Sole-Heilbad etabliert und ist mittlerweile auch staatlich anerkannt.
Auch wenn sie nicht zu sehen ist, verläuft hier durch Bad Harzburg die Harznordrandstörung. Darunter versteht man eine Bruchzone, wo die Deckschichten des Harzes aufgefaltet wurden und gleichzeitig das Becken im Harzvorland sich absenkte. Die Hebung begann vor ca. 180 Millionen Jahren und endete von ca. 95 Millionen Jahre.
In dieser entstandenen Bruchzone steigen bis heute heißen Quellen empor, wovon Bad Harzburg als Sole-Heilbad profitiert.
Prima Klima und Natur pur
Nachdem wir die Aussicht genossen haben, gehe ich mit B. wieder zurück in Richtung Bergstation. Auf dem Weg dorthin fällt mir eine einzelne Eiche (Quercus sp.) bei der Gaststätte „Aussichtsreich“ auf. Es ist die Horst-Woick-Eiche. Sie wurde zu Ehren des ehemaligen Vorsitzenden des Fördervereins Historischer Burgweg gepflanzt.
Als wir die Bergstation hinter uns lassen und den Antoniusplatz wieder passiert haben, folgen wir dem „Kaiserweg“. Ein Wanderschild weist uns den Weg in Richtung Rabenklippe und Luchsgehege. Hm, ob wir da Luchse sehen werden?
Der Kaiserweg führt uns auf einen dicht bewachsenen Waldweg. Alles um uns herum scheint nur aus Grün zu bestehen. Ich sehe Laubbäume wie Buchen (Fagus sp.) und Eichen (Quercus sp.) als auch Nadelbäume wie z.B. die Fichte (Picea sp.).
Ich bin froh, das es so recht zugewachsen ist. Die Sonne scheint erbarmungslos auf uns herab, doch dank des dichten Blätterdaches bekommen wir nicht soviel von der Sonne ab.
Weder B. noch ich haben mit so einem guten Wetter gerechnet. Immerhin hat B. an einen Sonnenschutz gedacht und seine Mütze eingepackt. Ich habe, außer Sonnencreme, nichts weiteres dabei. Shame on me!
Wir kommen an einigen Sitzbänken vorbei. Für jemand, der hier eine Pause macht, wurde der Wald gelichtet und man erhält wunderbare Einblicke in den Harz.
Nicht unweit einer Bank haben ich einige Blütenstände des Roten Fingerhut (Digitalis purpurea) entdeckt. Der Rote Fingerhut wächst am Liebsten auf Waldlichtungen, Kahlschlägen oder Waldrändern. Zudem zeigen seine Blüten immer in die Richtung, woher sie die meisten Sonnenstrahlen erhalten.
Anhand seiner Blütenform erhielt die Pflanze den Namen Fingerhut. Es gibt aber auch andere Bezeichnungen wie „Waldschellen“, „Waldglocke“ oder „Fingerglöcklern“. Dennoch sollte man nicht seinen Finger, trotz den Namens, in einer der Blüten hineinstecken. Denn alle Pflanzenteile der Pflanze sind hochgiftig.
Immerhin ist das Fotografieren solcher Pflanzen völlig ungefährlich. Ein Marienkäfer (Coccinella sp.) hat sich auf der Spitze eines Blütenstandes verirrt. Leider kann ich ihn nicht mehr meine Aufmerksamkeit widmen, denn B. möchte weitergehen. Okay, also auf zur nächsten Stempelstelle!
Etwas Geschichtsunterricht
Nicht mal ein Kilometer von der Burgberg entfernt, liegt die „Säperstelle“. Dieser Name hat einen forstwirtschaftlichen historischen Hintergrund. Unter „Säpern“ versteht man das Abschälen der Borke von Fichten, bevor deren Baumstämme weiterverwendet werden können.
Heutzutage ist die Säperstelle nur noch ein wichtiger Wanderwegkreuzungspunkt. Hier kann es einem schwer fallen, welchen Weg man nehmen sollte. Wir haben uns aber bereits entschieden. Es geht weiter, vorbei an den Sachsenbrunnen, zum „Kreuz des deutschen Ostens“.
Einen Steinwurf von der Säperstelle entfernt, befindet sich etwas abseits des Weges der Sachsenbrunnen. Von hier aus wurde die ehemalige Harzburg mit Hilfe von Tonrohren mit Wasser versorgt.
Es geht jetzt erstmal weiter auf dem Kaiserweg in Richtung „Kreuz des deutschen Ostens“. Der Weg dorthin ist nicht sehr lang und wir haben nur knapp eine halbe Stunde gebraucht bis wir diese Stempelstelle erreichten.
B. ist sehr an ostdeutscher Geschichte interessiert, daher bleiben wir hier eine Weile, um uns die Gedenkstätte anzuschauen. Das Kreuz, das ursprünglich aus Holz war, ist ein Mahnmal und soll an die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertriebenen Deutschen erinnern.
1950 wurde hier das erste Kreuz errichtet, das aber einen Orkan nicht stand hielt. Das zweite Kreuz, das immer noch hier steht, ist im Jahre 2000 eingeweiht worden.
Interessant sind auch die bereits 1962 errichteten Granitsteine, auf denen die Wappen von den Regionen im ehemaligen Ostteil des Deutschen Reiches sowie aus weiteren deutschen Siedlungsgebieten außerhalb der deutschen Landesgrenzen zu sehen sind.
Diese Steine wurden im Halbkreis um das „Kreuz des deutschen Ostens“ errichtet und dienen als Erinnerung an die verlorene Heimat der Vetriebenen.
Die Geologie der Rabenklippen
Das Stempelsammeln scheint heute echt leicht von der Hand zu gehen. Denn gerade mal eine weitere halbe Stunde zu Fuß haben B. und ich nur gebraucht um vom „Kreuz des deutschen Ostens“ zu den „Rabenklippen“ zu kommen. Der Weg war sehr gut ausgeschildert und somit war das Wandern ein pures Vergnügen.
Bei den „Rabenklippen“ befinden wir uns genau 555 m ü. NHN. Diese Klippen bestehen aus den sogenannten „Ilsestein-Granit“. Eine Granit-Varietät, die sich von anderen Graniten dadurch unterscheidet, dass dieser leicht verwittert und eine kräftig rote Farbe aufweist.
Die kräftig rote Farbe lässt sich an den Gesteinsfelsen nicht so gut sehen, da diese von einer Verwitterungsschicht überzogen sind. Doch dafür ist ein Verwitterungsphänomen bei den Gesteinsblöcken gut zu sehen. Die Kanten sind teilweise durch die Verwitterung sehr stark gerundet. Hier spricht man dann von einer „Wollsackverwitterung“.
Granit ist ein magmatisches Gestein, das zeigt das hier einst Vulkanismus herrschte. Es kam zwar nie zum Ausbruch, aber das Magma, das in dem Vulkanschlot stecken blieb, erkaltete langsam und so bildete sich der Granit.
Blick man von der „Rabenklippe“ in Richtung Südosten, erkennt man den Brocken, den wir bereits heute morgen vom Burgberg aus gesehen haben. Da das Wetter immer noch gut ist, kann man sowohl den Fernmeldeturm als auch das Brockenhaus erkennen. Der Brocken besteht wie auch die „Rabenklippen“ aus Granit. Allerdings ist der „Brockengranit“ eine andere Granit-Varietät als der „Ilsestein-Granit“ der Rabenklippen.
Die Ecker und sein Wald
Unser Weg von der Rabenklippen führt uns jetzt nach Südwesten. Vorbei an der Bushaltestelle „Rabenklippen“, fällt uns hier auf, wie gut doch hier der Weg ausgebaut worden ist. In weniger als einer Stunde erreichen wir das Molkenhaus mit der Stempelnummer HWN 169.
Allerdings ist sie nicht geöffnet, somit sind wir die einzigen Besucher dieser Waldgaststätte. Abgesehen von der Stempelstelle hält uns hier nichts. Südlich vom Molkenhaus finden wir eine zweite Busstation, die hier mitten im Wald liegt.
Wir gehen natürlich weiter und lassen die Haltestelle links liegen. Es geht einen Abhang hinunter der uns durch eine Wiese führt und dann wieder in einen Wald. Wir erreichen eine Wegkreuzung und stellen fest, das die Ecker neben unseren Wanderweg fließt. Die Ecker markiert als natürliche Grenze zwischen den Bundesländern Sachsen-Anhalt und Niedersachsen.
Wir gehen in Richtung Süden. Auf dem Weg finden wir ein Informationsschild vor, das uns über den hier vorliegenden Wald informiert. Das Waldgebiet „Eckerhang“ ist als Naturwald ausgewiesen. Das 22 Hektar große Gebiete soll sich ohne Einfluss des Menschen entwickeln um so einen Urwald-Charakter zu bekommen. Die hier wachsenenden Bäume sind über 150 Jahre alt und bilden ein Hainsimsen-Buchenwald-Gesellschaft. Diese Waldform ist hier am weitesten verbreitet.
Das Besondere hier im Eckerhang ist aber die Abwechslung mit einem Ahorn-Eschen-Buchen-Schluchtwald. Diese Wald-Gemeinschaft bevorzugt kühl-feuchte Steilhänge oder Schluchten. Da diese Gemeinschaft nur in Mittelgebirgsregionen oder im Voralpenraum vorkommen, sind sie besonders schützenswert und daher ist das Betreten dieses Waldes absolut verboten um eine Entwicklung ohne Einfluss des Menschen zu garantieren.
Die Eckertalsperre und der letzte Stempel
Der Ecker folgend, erreichen wir ohne Problem die Talsperre. Hier verlief nicht nur die innerdeutsche Grenze, sonder auch geologisch befinden wir uns zwischen zwei Gesteinseinheiten. Der Stausee der Eckertalsperre ist nahezu vollständig im Eckergneis eingebettet. Nur hier im Bereich der Staumauer befindet sich ein verwitterungsbeständiger Olivin-Gabbro.
Vor 290 Millionen Jahren drangen hier heiße magmatische Schmelzen vom oberen Erdmantel in die Erdkruste hinein und erstarrten dort zu einem Gabbro. Gabbro ist ein massiges, mittel- bis grobkörniges magmatisches Gestein.
Der Olivin-Gabbro enthält eine hohen Anteil an Olivin, ein Mineralmischgruppe die Eisen- und Magnesiumhaltig ist. Charakteristisch für Olivin sind seine moosgrüne Kristalle.
Um die Stempelstelle Nr. 1 – Eckertalsperre zu erreichen, müssen wir über die Staumauer nach Norden gehen. Mehrere Informationsschilder, die auf der Staumauer angebracht wurden, informieren über die bewegte Geschichte der hier ehemaligen innerdeutschen Grenze.
Es ist spät am Nachmittag und wir haben einige Kilometer bereits zurückgelegt, aber so richtig kaputt sind wir irgendwie nicht. Vom Eckerstausee kann man auch bis zum Brocken wandern, aber das zuviel des Guten. Die Eckertalsperre soll die letzten Stempelstelle für heute sein.
Um einen schöneren Blick von der Landschaft zu bekommen, gehen wir im Uhrzeigersinn am Stausee entlang. Durch einen kleinen Waldabschnitt geht es über einen von Baumnadeln dicht bedeckten Waldpfad bis wir wieder eine Lichtung erreichen.
Jetzt haben wir einen schönen Aussichtspunkt erreicht.
Was für ein Anblick! Hammer!
Wir finden eine Sitzbank vor und machen hier unsere heutige letzte Pause. Das ist ein schöner Abschluss von der heutigen Tour.
Glück gehabt!
Das schöne Wetter, das wir heute morgen bis in den späten Nachmittag hatten, scheint sich jetzt zu verziehen. „Oho“, meint B. . Zum Glück hat er schon herausgesucht, wo wir von der Eckertalsperre wieder zurück nach Bad Harzburg kommen. Wir müssen nur der gut asphaltierten Strasse von der Eckertalsperre in Richtung Nord-Westen folgen und dann kämen wir automatisch zur Schutzhütte Luisenbank. Dort befindet sich auch eine Bushaltestelle.
Gesagt, getan.
Ich bin froh, das es jetzt heimwärts geht. Das Wetter ist plötzlich recht schnell umgeschlagen. Das erste Donnern ist schon zu vernehmen. Bis zu einem Regenguss ist es nicht mehr weit.
Dunkle Wolken türmen sich über unseren Köpfen. Doch wir haben Glück. Trocken erreichen wir die Schutzhütte. Bis der nächste Bus kommt – es ist zudem der letzten an diesem Tag – müssen wir zwar noch etwas warten, aber immerhin werden wir nicht nass.
Es schüttet aus Eimern als unser Bus kommt. Mit einem Lächeln steigen wir hinein. Nicht, weil wir wieder im Trockenen sind, sondern weil wir heute eine sehr schöne Wandertour hatten.
Dieses tolle Gefühl kann das Gewitter über uns auch nicht mehr nehmen.
Ätsch!
Mein Fazit
Die anfänglich etwas schwere Steigung sollte niemanden abbringen, diese Wanderung einmal durchzuführen. Sie verläuft hautsächlich auf Waldwegen und biete viele schöne Aussichtspunkte.
Die Stempelstellen sind schöne Highlights auf der Tour und können auch als Tagesziel geplant werden. Es bieten sich einige Einkehrmöglichkeiten auf dem Weg an, so das man durchaus in Erwägung ziehen sollte, ob sich die Mitnahme von Proviant eigentlich lohnt.
Letztendlich ist die Beschilderung sehr gut und die Waldwege sind gut ausgebaut. Alles im allem eine der schönsten Touren, die ich bisher im Harz gemacht habe
Steckbrief: 12. HWN-Tour – von Bad Harzburg zur Eckertalsperre
Karte
Wegbeschaffenheit
- vorwiegend Waldwege
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln
- Bus: Buslinie 875 fährt vom Bahnhofsplatz bis zu Luisenbank „Abzweig Eckertalsperre“, Molkenhaus und Rabenklippe
- Bahn: Regionalbahn fährt über Braunschweig direkt nach Bad Harzburg
- Fernbus: von Göttingen, Kassel, Quedlinburg, Dortmund, Essen, Düsseldorf, Aschersleben, Magdeburg, Berlin fahren Busse direkt nach Bad Harzburg
Einkehrmöglichkeit
Aufgesuchte Stempelstellen
Quellen und lesenswerte Links
Mehr Informationen und Wissenswertes über die Tour hinaus findest du auf den folgenden Links:
- Webseite zur Luchstour
- Wissenswertes über den Ilsestein-Granit
- Eckertalsperre – harzlife.de
- Kreuz des deutschen Ostens – harzlife.de