Eine wissenschaftliche Entdeckungstour durch Lübeck
„Wissenschaft ist ein guter Wanderstab.“
– Deutsches Sprichwort
Es gibt verschiedene Wege eine neue Stadt zu erkunden.
Wenn ich mich in einer neuen Stadt befinde, gehe ich oft einfach darauf los und lasse mich intuitiv führen. Ich gehe lieber einfach los. Ich möchte nicht gleich als Tourist erkannt werden, denn ich sehe mich selbst eher als Besucher an – nie als ein typischer Tourist, der nur die Hotspots der Städte erkunden möchte.
Neben dem „Einfach-Losgehen“, verwende ich auch mein GPS-Gerät um Geocaches in der neuen Stadt aufzuspüren. Das wäre meine zweite Variante eine Stadt zu erkunden.
Die Hansestadt Lübeck ist aber die erste Stadt, die mir eine weitere, eher ungewöhnliche Möglichkeit anbietet, erkundet zu werden.
Ankunft in Lübeck
Für ein verlängertes Wochenende im Mai wollte ich die Hansestadt Lübeck erkunden und auch ein paar Geocaches finden. Mit dem Fernbus ist die Hansestadt nur 1 Stunde Fahrzeit von meiner Stadt entfernt. Also nix wie hin!
Endlich mal das Holstentor sehen, das Lübecker Marzipan probieren und ein bisschen Geocaching betreiben und somit eine neue Stadt sehen und kennenlernen. Das ich dort eine weitere interessante Entdeckung machen werde, hatte ich bei meiner Ankunft am Busbahnhof noch nicht geahnt.
Meine Unterkunft habe ich bewusst mitten in der Altstadt gewählt. Ich liebe Altstädte. Zudem gehört die Lübecker Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ein weiterer Grund sich die Altstadt aus nächster Nähe anzuschauen.
Bereits an meinem Ankunftstag, nach dem Einschecken bei meiner Übernachtungsstätte, wollte ich am frühen Abend bereits mir ein erstes Bild von der Stadt machen.
Eigentlich wollte ich erstmal ziellos in der Stadt umherschlendern, doch da fiel mir eine Installation direkt bei der Brücke zum Holstentor auf. Es tummelten sich einige Menschen davor und dadurch war erst recht mein Interesse geweckt.
Vielleicht ein Kunstobjekt?! Hm.
Ich konnte nicht viel erkennen, da es bereits dunkel war. Na gut, meine Neugierde muss auf den nächsten Tag warten.
Die Entdeckung
Am nächsten Tag ging es gleich nach dem Frühstück zu dem vermeintlichen Kunstobjekt. Wie sich herausstellte war es eine Mitmachstation des Wissenschaftspfades.
Ein kleines Schild gab mir diese und weitere Informationen über den Pfad preis.
Schon beim Lesen des Hinweisschildes war mir klar, was ich definitiv in dieser Hansestadt machen werde. Ein Spaziergang durch die Altstadt mit Fokus auf Wissenschaft. Das klingt spannend und ist auch mal eine andere Art eine Stadt zu erkunden.
Somit stand der Plan für den nächsten Tag – da der heutige Tag schon verplant war – fest: Ich werde den Wissenschaftspfad erkunden und jede Installation ausprobieren.
Der Wissenschaftspfad von Lübeck (+Karte)
Was ist der Wissenschaftspfad?!
Lübeck ist für sein Holstentor und sein Marzipan bekannt. Nur wenige bringen diese Hansestadt mit Naturwissenschaften in Verbindung. Doch das sollte jetzt ein Wanderpfad quer durch die Altstadt ändern.
Der Wissenschaftspfad wurde 2012 errichtet und verläuft mit seinen 10 Station von Norden nach Süden durch die Altstadtinsel von Lübeck. Dabei durchläuft der Pfad alle Stadtteile des Altstadtkerns.
Folgt man diesem Weg, erfährt man nicht nur allerhand Wissenswertes über naturwissenschaftliche Themen, sondern man kommt auch an vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei.
Die 10 Stationen des Wissenschaftspfades
Der Wissenschaftspfad fängt im Norden südlich vom Burgtor an und endet am südlichen Ende vom Lübecker Dom. Um alle Stationen zu besuchen und auszuprobieren sollte man schon 1 – 2 Stunden einplanen. Nutzt man den Pfad um die umliegenden Sehenswürdigkeiten zu besuchen, sollte man einen halben bis ganzen Tag einplanen.
1. Station: Kaleidoskop
Am nördlichen Ende der Großen Burgstraße steht das im spätgotischen Stil erbaute Burgtor. Neben dem Holstentor, gehört es zu den ehemaligen Stadttoren Lübecks. Nur wenige Schritte südlich vom Stadttor entfernt, befindet sich die erste Installation des Wissenschaftspfades: das Kaleidoskop.
Ich kenne es noch als Kind. Eine schwarze Pappröhre, die aus zwei Röhrenhälften bestand. Während man hineinschaut, musste man am vorderen Ende drehen und schon sieht man das typisch wechselnde Farbenspiel.
Dieses Kaleidoskop ist jedoch keine Pappröhre, sondern besteht aus Metall und ist fest im Boden verankert. Jedoch das Innere hat den gleichen Aufbau wie die Pappröhre aus meiner Kindheit.
Ein Kaleidoskop ist im Allgemeinen ein Rohr, an dessen Ende sich – zwischen einer glatten und einer mattierten Glasplatte – locker eingelegte kleine farbige Objekte (meist farbiges Glas) befinden. Das andere Ende des Kaleidoskops hat ein rundes Fenster, in das man durchsehen kann.
Im Rohr sind zusätzlich drei (manchmal auch vier) Spiegel-Streifen längs angebracht, die sich an ihren Längskanten berühren. Darin spiegeln sich die Gegenstände mehrfach, so dass ein symmetrisches farbiges Muster sichtbar wird.
Ich blicke durch das Kaleidoskop und drehe dabei am Ring, der sich im vorderen Bereich des Rohres befindet. Das Bild, das ich im Kaleidoskop sehe, ändert sich bei jeder Bewegung. Ein schönes Form- und Farbspiel eröffnet sich mir.
eröffnet sich mir.
Das Wort „Kaleidoskop“ stammt übrigens aus dem Griechischen und bedeutet „schöne Formen sehen“.
2. Station: Hörmuschel
Ich gehe weiter die Große Burgstraße entlang in Richtung Süden. Hier biege ich nach links zur Hinter der Burg ab und folgt der Straße bis zum Ende. Hier geht es weiter nach links zur Kleine Burgstraße. Ihren Verlauf folgt man bis zur nächsten Installation: Die Hörmuschel.
Das Hören gehört zu unseren 5 Sinnen. Werden Töne hervorgerufen, lösen diese in unserem Ohr Signale aus, die über Nervenfasern zum Gehirn weitergeleitet werden. Die Ohrmuschel dient dazu, die Töne zu orten und ihre Richtung zu bestimmen.
Die Installation zeigt eine erhebliche Vergrößerung unserer Ohrmuschel und dient als Verstärker unserer Ohren. Hier kann man einfach den Kopf zwischen den künstlichen Ohrmuscheln reinstecken und dann heißt es: lauschen.
Ich muss ehrlich zugeben, das ich eher nichts gehört habe bzw. mir kam nichts lauter vor. Hm, vielleicht liegt es daran, das mein Kopf zu klein für die Installation war oder es lag am heftigen Wind, so dass man keine anderen Geräusche klar vernehmen konnte.
3. Station: Binokular
Es geht weiter in Richtung Süden am Koberg zur Jakobikirche und das Haus der Kaufmannschaft. Das Haus der Kaufmannschaft beherbergt hinter seiner neugotischen Putzfassade von 1838 zwei der schönsten Sitzungsräume der Hansestadt aus der Zeit der Renaissance.
Zwischen dem Haus der Kaufmannschaft und der Jakobikirche finde ich die dritte Installation des Wissenschaftspfades vor.
Es ist ein Binokular. Das ist ein optisches Instrument, das ermöglicht, mit beiden Augen einen Gegenstand vergrößert zu betrachten.
Es hat die gleiche Funktionsweise wie ein Mikroskop, nur das Betrachten erfolgt über zwei getrennte Strahlengänge und somit kann man dann mit beiden Augen hineinblicken – als wie üblich beim Mikroskop nur mit einem Auge.
Natürlich probiere ich das Binokular aus. Und ja, alles erscheint näher als sonst und ich finde es deutlich angenehmer durch ein Binokular hindurchzublicken als durch ein Mikroskop.
4. Station: Abakus
Etwa 100 m weiter nach Süden, die Breite Straße entlang, finde ich die 4. Station vor. Hier ist ein Gerät ausgestellt, dass ich auch aus meiner Kindheit kenne: ein Abakus.
Der Abakus gilt als Vorläufer des heutigen Taschenrechners. Er gehört zu den ältesten Hilfsmitteln um mathematische Kalkulationen durchzuführen. Er wird sogar heutzutage noch in einigen Ländern als Hilfsmittel für mathematische Rechnungen verwendet.
Ein Abakus besteht aus einem Rahmen und darin parallel übereinanderliegende Stäbe. Auf den Stäben sind meist Kugeln aufgefädelt.
Das hier ausgestellte Exponat hat fünf Reihen mit jeweils 10 Kugeln vorzuweisen. Jedoch sind die Kugeln in einem Rahmen eingefasst. Dennoch kann man sie hin- und herschieben.
Die unterste Reihe zeigt die 1er Reihe an (1 – 10), die zweite Reihe die 10er Reihe (10 – 20), die dritte Reihe die 100er (100 – 1000) bis 1.000er Reihe an und die oberste Reihe zeigt die 10.000er Reihe an.
Wie rechnet man aber mit dem Abakus?
Das wird mit Hilfe einer einfachen Addition „7 + 8 = 15“ erklärt:
- Die ersten 7 Kugeln in der 1er Reihe (ganz unten), mit denen man rechnen möchte, werden nach rechts verschoben
- Von den verblieben Kugeln schiebt man so viele ebenfalls nach rechts, mit denen man die Addition durchführen möchte (8) in dem Falle sind nur 3 übrig
- Es fehlen 5 Kugeln von den benötigten 8. Hier bewegt man nun in der 10er Reihe (zweite Reihe von unten) eine Kugel (10) nach rechts.
- 5 fehlende Kugeln sollte man sich nun merken
- Alle Kugeln in der 1er Reihe werden nach links wieder verschoben, weil wir uns jetzt im 10er Bereich (2. Reihe) bewegen.
- Die vorab gemerkten 5 Kugeln werden in der ersten Reihe nach rechts verschoben.
- Fertig ist das Rechenergebnis. Die zweite Reihe von unten hat eine Kugel links – wir haben also eine 10. 1er Reihe weist 5 Kugeln auf. Wir haben also eine 5. Das Ergebnis lautet also 15. Und 7 + 8 sind 15.
Wir haben konnten also mit dem Abakus rechnen.
Jetzt eine Aufgabe an dich – schau dir das folgende Bild an:
Welche Zahl wird hier dargestellt? Die Lösung kannst du mir per Email schicken oder als Kommentar hinterlassen.
5. Station: Windorgel
Beim nächsten Exponat ist wieder der menschliche Sinn „Hören“ gefragt.
Jeder, der eine Flöte spielt, weiß, dass die Tonhöhen durch einen Luftstrom erzeugt werden. Bei der Windorgel wird der notwendige Luftstrom nicht künstlich erzeugt. Hier ist man auf den Wind angewiesen.
Es ist aber zum Glück recht windig und so halte ich mein Ohr einfach an einer der drei Rohröffnungen.
Ich höre einen Ton. Zwar nicht durchgehend, aber immerhin. Die Windorgel funktioniert.
6. Station: Zentrifuge
Unter dem Begriff „Zentrifuge“ versteht man ein Gerät, das Flüssigkeiten oder Gase voneinander trennt. Direkt gegenüber der „Universitäts- und Kulturkirche“ St. Petri findet ich diese interessante Installation vor.
Zentrifugen können unterschiedlich aufgebaut sein. Hier hat man zwei verschiedene farbige Kugeln – anstelle von zwei verschiedener Flüssigkeiten – genommen.
Im folgenden Video zeige ich dir, wie man es bedient:
Was wird beobachtet?
Das Geheimnis liegt hier in den verschiedenen Gewichten der Kugel. Die Kugeln mit der größeren Dichte werden aufgrund der Massenträgheit nach außen transportiert. Die Kugeln mit der niedrigen Dichte bewegen sich dagegen eher zur Mitte.
7. Station: Nadelscanner
Der Nadelscanner scheint das beliebteste Exponat des Wissenschaftspfades zu sein. Denn bei den bisherigen Installationen habe ich keine weitere Besucher gesehen, hier dagegen ist echt was los. Eltern stehen hier mit ihren Kindern und probieren sich am Nadelscanner aus.
Das ist wohl auch der Lage des Exponats geschuldet. Denn es befindet sich bei der Brücke, die zum Holstentor führt und wird so auch sicherlich von vielen Touristen gesehen – und auch ausprobiert werden.
Der Nadelscanner ist ein bildgebendes Verfahren um möglichst maßstabgetreue Abbildungen von Objekten zu erzielen.
Bei dieser Installation kann man z.B. einfach seine Hand auf die Seite, wo die Nadeln herausschauen, darauf legen und dann muss man nur leicht durchdrücken. Das Ergebnis ist die Abbildung der eigenen Handform.
Natürlich habe ich mich auch so verewigt (Handform zeigt in Gebärdensprache ILY – I love you) – aber nur solange, bis der nächste Besucher kommt und ebenfalls den Nadelscanner ausprobiert.
8. Station: Phonograph
Ich gehe weiter an der Obertrave in Richtung Süden entlang. Bei der Obertravenbrücke steht bereits die nächste Installation.
Es ist ein Gerät zur akustisch-mechanischen Aufnahme und Wiedergabe von Schall mit Hilfe von Tonwalzen: der Phonograph.
Nun, wie bedient man einen Phonograph?
Schau dir einfach das folgende Video an:
Verstehst du die gesagten Worte?
Sie lauten: „Bunte Kuh“.
9. Station: Chaospendel
Das vorletzte Exponat gibt mir anfangs Rätsel auf. Es schaut wie ein normales Pendel aus, doch plötzlich dreht es sich in die andere Richtung oder bleibt sogar stehen.
Ein Pendel ist normalerweise ein aus Aufhängung und Gewicht bestehender starrer Körper, der sich um den festen Aufhängepunkt hin- und herbewegen kann. Doch beim „Chaospendel“ sieht das anders aus.
Schau dir mal das Video an:
Wie zu beobachten ist, führt das Chaospendel Bewegungen aus, die nicht vorhersagbar sind. Das liegt daran, das nicht ein Pendel vorhanden ist, sondern mehrere miteinander verbundene Pendel in Bewegung gesetzt werden. Dadurch ist es schwierig vorauszusagen, in welche Richtung sich welche Pendel dreht. Man sagt hierzu: „es pendelt chaotisch“.
10. Station: Möbiusband
Um zum letzten Exponat zu gelangen, folge ich weiter der Obertrave bis sie nach links in Kleiner Bauhof übergeht. Hier geht es über eine Treppe zum Dom und zum Stadtarchiv der Hansestadt Lübeck.
Das letzte Exponat heißt „Möbiusband“, wird aber auch als „Möbiusschleife“ oder „Möbius’sches Band“ bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine Fläche, die nur eine Kante und eine Seite hat. Zusätzlich man kann nicht zwischen unten und oben oder zwischen innen und außen beim Möbiusband unterscheiden.
Wo liegt aber jetzt die eine Kante? Ich zeig es dir im folgenden Video:
Mit diesem Exponat endet der Wissenschaftspfad und damit mein Spaziergang durch alle Stadtteile der Altstadtinsel von Lübeck.
Mein Fazit
Der Wissenschaftspfad ist mal eine interessante Möglichkeit, eine Stadt zu erkunden. Hier wird nicht nur kurz und knapp reine wissenschaftliche Theorie erklärt, sondern man kann die Wirkungsweise der Exponate gleich ausprobieren.
Davon lebt die Wissenschaft und so sollte sie – meiner Meinung nach – auch vermittelt werden. Daher finde ich diese Art von Wissensvermittlung sehr gut.
Bisher habe ich die Hansestadt Lübeck nicht als eine Wissenschaftsstadt betrachtet, doch dank des Wissenschaftspfades, besteht für mich die Hansestadt Lübeck jetzt nicht mehr nur aus Holstentor und Marzipan.
Für den Pfad braucht man etwa 1 – 2 Stunden – sofern man in einem gemütlichen Tempo geht und alle Exponate mindestens einmal ausprobiert.
Das beliebteste Exponat des Wissenschaftspfades scheint der Nadelscanner bei der Brücke zum Holstentor zu sein; denn dort war jedenfalls immer etwas los, wenn ich daran vorbeikam.
Was ist mein Lieblingsexponat? Hm, schwierige Frage – da müsste ich nochmals überlegen…
Was wäre dein Favorit?!
Quellen und lesenswerte Links
Mehr über den Wissenschaftspfad erfährst du, wenn du auf die folgenden Links klickst:
Kommentare sind geschlossen, aber trackbacks und Pingbacks sind offen.